Abstract
This article shows the poetics of a post-sovereign narrator’s voice on the basis of Norbert Gstrein’s critically acclaimed novel »Das Handwerk des Tötens« as response to the political and ethical implications of storytelling in all. By these means post-sovereignty emerges in the novel as a consequence of the fashion of dealing with violence in mass media and literature referring to the Yugoslav wars and empowers itself in symbolical configurations as a contemporary concept of literature disposing both circumstances and characters of a story a language of their own. Reducing the narrator’s arbitrament post-sovereign storytelling establishes a discreetly alliance of desire between characters, narrator, and narration.
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Literatur
Norbert Gstrein: Das Handwerk des Tötens. Frankfurt a. M. 2003, S. 12. Im Folgenden werden Nachweise nach dieser Ausgabe im fortlaufenden Text in runden Klammern gegeben.
Diese Art der Immunisierung kann der Literatur selbst in Rechnung gestellt werden, wenn man Lektüre als Probehandeln begreift. Johannes Türk: Die Immunität der Literatur. Frankfurt a. M. 2011.
Dazu ausführlicher: Joanna Drynda: »Der Schriftsteller als medialer Zaungast einer Kriegskatastrophe. Die <Informationsware> Balkankrieg in den Prosatexten von Gerhard Roth, Peter Handke und Norbert Gstrein«. In: Information Warfare. Die Rolle der Medien (Literatur, Kunst, Photographie, Film, Fernsehen, Theater, Presse, Korrespondenz) bei der Kriegsdarstellung und -deutung. Hg. von Claudia Gunz u. a. Göttingen 2007, S. 455–466.
Dahinter steht offenbar ein Argument, das der in der Sprachphilosophie diskutierten »Ethik des Zeigens« aufruht. Es nimmt von Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus seinen Ausgang und sollte Gstrein von seinem Studium der Sprachphilosophie her geläufig sein. Zur Ethik des Zeigens vgl. Dieter Mersch: »<Es gibt allerdings Unaussprechliches …>. Wittgensteins Ethik des Zeigens«. In: Der Denker als Seiltänzer. Ludwig Wittgenstein über Religion, Mystik und Ethik. Hg. von Ulrich Arnswald u. Anja Weinberg, Düsseldorf 2001, S. 133–155.
Vgl. dazu auch Wolfgang Müller-Funk: »Die Dummheiten des Erzählens. Anmerkungen zu Norbert Gstreins Roman Das Handwerk des Tötens und zum Kommentar zum Roman Wem gehört eine Geschichte?«. In: Narration und Ethik. Hg. von Claudia Öhlschläger, München 2009, S. 241–261.
Roland Barthes: »L’effet de réel«. In: Ders.: Littérature et réalité. Paris 1982, S. 81–90.
Interessanter Weise bildet die neuere Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen interkultureller Germanistik diesen Übergang ebenfalls ab. Vgl. Ortrud Gutjahr: »Interkulturalität als Forschungsparadigma der Literaturwissenschaft. Von den Theoriedebatten zur Analyse kultureller Tiefensemantiken«. In: Zwischen Provokation und Usurpation. Interkulturalität als (un-)vollendetes Projekt der Literatur- und Sprachwissenschaften. Hg. von Dieter Heimböckel u. Georg Mein. München 2010, S. 17–39.
Gstrein selbst spricht von der »Glaubwürdigkeit des Erzählens«. Norbert Gstrein: »Das Sheerness des Erzählens. Rede anläßlich der Verleihung des Johnson-Preises«. In: Manuskripte. Zeitschrift für Literatur 43 (2003), S. 102–106, hier S. 105 f.
Vgl. Wende: Als Erstes stirbt immer die Wahrheit (wie Anm. 5); sowie Katja Stopka: »<Beobachtete Beobachten>. Literarische Derealisierungstendenzen von Kriegsperspektiven. Am Beispiel der Journalistenromane Die Fälschung von Nicolas Born und Das Handwerk des Tötens von Norbert Gstrein«. In: Kriegsdiskurse in Literatur und Medien nach 1989. Hg. von Carsten Gansel. Göttingen 2011, S. 119–136.
Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. Wiesbaden 2009.
Vgl. Daniel Kruzel: »Die Notwendigkeit des Faktischen. Über die Spuren Gabriel Grüners in Norbert Gstreins Roman Das Handwerk des Tötens«. In: Norbert Gstrein. Hg. von Kurt Bartsch u. Michael Braun. Graz 2006, S. 134–152.
Zu Praxis und Implikationen der Zueignung vgl. nach wie vor Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt a. M. 2003, S. 115–132.
Vgl. dazu auch Norbert Gstrein: Wem gehört eine Geschichte? Fakten, Fiktionen und ein Beweismittel gegen alle Wahrscheinlichkeit des wirklichen Lebens. Frankfurt a. M. 2004, S. 55–63; Zur Medienlogik der Kriegsberichterstattung
vgl. Gerhard Paul: Bilder des Krieges — Krieg der Bilder. Die Visualisierungen des modernen Krieges. Paderborn 2004; sowie im Blick auf die Literaturgeschichte Manuel Köppen: Das Entsetzen des Beobachters. Krieg und Medien im 19. und 20. Jahrhundert. Heidelberg 2005.
Zur Kategorie des symbolischen Kapitals im Feld der Literatur vgl. Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt a. M. 2001, S. 227–282.
Mit den Implikationen tatsächlicher oder vermeintlicher Exklusivität im Zugriff auf historische Ereignisse setzt sich Gstrein bereits in seinem Roman Die englischen Jahre (Frankfurt a. M. 1999) auseinander. Vgl. dazu auch Norbert Gstrein, Jorge Semprun: Was war und was ist. Reden zur Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung am 13. Mai 2001 in Weimar. Frankfurt a. M. 2001.
In gewisser Weise antizipiert der Text, was dann im Feuilleton perpetuiert wurde, besonders in der aggressiven Kritik Iris Radischs: »Gabriel Grüner gab es wirklich. Er war ein ungemein sympathischer Hamburger Kollege — vor vielen Jahren Hospitant im Feuilleton der ZEIT, in der er seine ersten Literaturkritiken veröffentlichte […].« Iris Radisch: »Tonlos und banal. Wie Norbert Gstrein in seinem Roman Das Handwerk des Tötens nichts über einen ermordeten Journalisten erzählen will«. In: Die Zeit vom 22.12.2003. Gstrein hat auf diese Anwürfe mit einer polemischen Replik und einer Darstellung seiner poetologischen Überlegungen reagiert: Wem gehört eine Geschichte?, bes. S. 76-79 (wie Anm. 16). Vgl. ferner den Überblick über die Rezensionen von
Daniela Strigl: »Ein Buch und seine Rezeption«. In: Norbert Gstrein. Hg. von Kurt Bartsch u. Michael Braun. Graz 2006, S. 197–201.
Diese Beobachtung formuliert bereits Goran Lovrić: »Erzählen aus dritter Hand in Norbert Gstreins Das Handwerk des Tötens. Zeichen der Unsicherheit oder geteilte Erzählperspektive? In: Gedächtnis — Identität — Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Hg. von Marijan Bobinac u. Wolfgang MüllerFunk. Tübingen u. a. 2008, S. 217–230.
Vgl. dazu Helmut Lethen: »Versionen des Authentischen: sechs Gemeinplätze«. In: Hartmut Böhme/ Klaus R. Scherpe (Hg.): Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek 1998, S. 205–231.
Vgl. zu dieser Dimension Ulrich Bielefeld: »Nation, Religion und postsouveräner Staat im Spiegel soziologischer Selbstthematisierungen«. In: Religionskontroversen in Frankreich und Deutschland. Hg. von Matthias König. Hamburg 2008, S. 58–96; sowie
Gunnar F. Schuppert: »Souveränität — überholter Begriff, wandlungsfähiges Konzept oder >born 1576, but still going strong>?«. In: Souveränität, Recht, Moral. Die Grundlagen politischer Gemeinschaft. Hg. von Tine Stein, Hubertus Buchstein u. Claus Offe. Frankfurt a. M. u. a. 2007, S. 251–269.
Jürgen Neyer: Postnationale politische Herrschaft. Vergesellschaftlichung und Verrechtlichung jenseits des Staates. Baden-Baden 2004, S. 17 u. ö.
Cornelia Vismann: »Kulturtechniken und Souveränität«. In: Zeitschrift für Kultur- und Medienwissenschaften 1 (2010), S. 171–181, hier S. 175.
Zur Figur des Warlords vgl. Alma Kalinski: »Zwischen Europa und Balkan. Das Spiel mit Auto- und Heterostereotypen über Kroaten und Kroatien in Norbert Gstreins Roman Das Handwerk des Tötens«. In: Gedächtnis — Identität — Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Hg. von Marijan Bobinac u. Wolfgang Müller-Funk. Tübingen u. a 2008, S. 231–243.
Vgl. neuerdings dazu Wolfgang Sofsky: Todesarten. Über Bilder der Gewalt. Berlin 2011.
Paul Ricœur: Zeit und Erzählung, Bd. 1: Zeit und historische Erzählung. Übers. von Rainer Rochlitz. München 1988, S. 87.
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Neumann, M. Diskretes Begehren. Z Literaturwiss Linguistik 42, 55–66 (2012). https://doi.org/10.1007/BF03379678
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