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Musik, Text und Schmerz in Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion

Music, Text and Pain in Johann Sebastian Bach’s Matthäuspassion

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Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Aims and scope Submit manuscript

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This article stresses the importance of the libretto in Johann Sebastian Bach’s Matthäuspassion and analyses the relationship between music and text. Bach’s opus summum brings into focus the pain that the son of god has to suffer. Obviously, this suffering marks Jesus as human being. His pain and the pain of his defenders are performed with a great variety of expressions concerning both the text and the music. Finally, as death and its ensuing pain are almost accepted, the latter losses much of its harshness without being denied its existence.

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Literatur

  1. Zitiert wird nach folgender Partitur: Bach, Johann Sebastian: Matthäus-Passion. BWV 244. Urtext der Neuen Bach-Ausgabe. Dürr, Alfred (Hg.), Kassel u.a. 1974. Die Zitate bzw. Seitenangaben erfolgen unter dem Kürzel MPP und der entsprechenden Seitenzahl.

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  2. Platen, Emil: Johann Sebastian Bach. Die Matthäus-Passion. Entstehung, Werkbeschreibung, Rezeption. Kassel u.a. 3. Aufl. 2000, S. 14.

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  3. Insbesondere die theologische Forschung hat sich darum verdient gemacht, dem Text einen eigenen Wert zuzugestehen und diesen entsprechend zu würdigen: Axmacher, Elke: »Aus Liebe will mein Heiland sterben«. Untersuchungen zum Wandel des Passionsverständnisses im frühen 18. Jahrhundert, Neuhausen-Stuttgart 1984 (Beiträge zur theologischen Bachforschung 2). Dies.: »Die Deutung der Passion Jesu im Text der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach«, in: Luther. Zeitschrift der Luther-Gesellschaft 56 (1985), S. 49ff. Petzoldt, Martin: »Die theologische Bedeutung der Choräle in Bachs Matthäus-Passion«, in: Musik und Kirche 53 (1985), S. 53ff. Kreutzer, Hans-Joachim: »Johann Sebastian Bach und das literarische Leipzig der Aufklärung«, in: Bach-Jahrbuch 77 (1991), S. 7–31.

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  4. Jena, Günter: »Das gehet meiner Seele nah« — Bachs Matthäuspassion. Erfahrungen und Gedanken eines Dirigenten, München 1993, S. 59.

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  5. Sehr bildhaft hat Martin Geck über diesen Choral gesprochen, wenn er ihn als »leuchtendes Rettungsschiff, das auf das wogende Meer der Trauer hinausgeschickt wird« bezeichnet und wenig später hinzufügt: »Im theologischen Denken der Bach-Zeit verweist der Cantus firmus auf das himmlische Jerusalem als Gegenbild zu dem irdischen, aus dem die Klagegesänge der beiden Chöre erklingen.« (Geck, Martin: Bach. Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg 2000, S. 441).

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  6. Vgl. Schalz, Nicolas: »Die Matthäus-Passion oder zu Bachs widerständiger Aktualität«, in: Heinz-Klaus Metzger/Rainer Riehn (Hgg.): Johann Sebastian Bach. Die Passionen, München 1986, S. 86–102, hier S. 93, Anm. 9. In vielen Aufführungen bis in die achtziger Jahre hinein wurden statt der von Bach eingetragenen Blockflöten Querflöten verwendet, was dem schmerzvoll zerbrechlichen Charakter dieses Rezitativs sicher weniger entspricht als die Blockflöten mit ihrem »wackeligen« Klang, die Bach im übrigen von den Streichern blasen ließ und die nur an dieser Stelle verwendet wurden.

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  7. Eine solche mystische Verbindung mit Jesus weist neben dieser die Arie Nr. 13 und vor allem die zentrale Arie Nr. 49 auf. Nicolas Schalz hat passende Worte für den besonderen Charakter der Bachschen Mystik in der Matthäuspassion gefunden, wenn er schreibt: »Die Übernahme der alttestamentlichen Braut-Bräutigam-Mystik aus dem Hohen Lied der Liebe als Urbild allen Liebesdialoges prägt die Passionslyrik der Matthäus-Passion in eine geistlich-erotische Inhaltlichkeit und Klanglichkeit um, deren unbestrittener Mittelpunkt — als das intime Zentrum der gesamten Partitur — die Sopranarie »Aus Liebe will mein Heiland sterben« darstellt, sie steht zwischen den erwähnten Kreuzigungs-Turbachören: die direkte Konfrontation ihrer basso-continuolos, also gleichsam ohne erdenhafte Verankerung, »luftig« schweifenden Liebestrauer, mit der unerbittlichen Vehemenz von »Laß ihn kreuzigen!« erstellt in bestürzender Weise, auf engstem Raum, das Grundthema der Matthäus-Passion. Da wird jemand, weil er sich für andere unorthodox einsetzte, ein Schuldloser, gekreuzigt — dieser ›Liebestod am Kreuz‹ aber stiftet Heil, Gerechtigkeit, Frieden für die Mitmenschen, geht ihnen für alle Zeit als Zeichen des Muts und der Hoffnung voran.« Schalz, Die Matthäus-Passion oder zu Bachs widerständiger Aktualität (wie Anm. 14), S. 94f. — Zur Mystik und mystischen Bildern bei Bach generell: Haselböck, Lucia: Du hast mir mein Herz genommen. Sinnbilder und Mystik im Vokalwerk von Johann Sebastian Bach, Wien 1989. Herchet, Jörg/Milbradt, Jörg: »Bach als Mystiker«, in: Martin Petzoldt (Hg.): Bach als Ausleger der Bibel. Theologische und musikwissenschaftliche Studien zum Werk Johann Sebastian Bachs, Göttingen 1985, S. 207–222.

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  8. Wie fast immer in der Matthäuspassion ist es der Alt, der die Klage übernimmt. An dieser Stelle, nach der Verleugnung des Petrus, ist das erwähnenswert, weil es ja Petrus (als Bassstimme) ist, der Jesus verleugnet und dem ein Verlangen nach Erbarmen und Vergebung unterstellt werden kann. Offensichtlich wollte Bach diese Arie aber gar nicht so eng mit Petrus verknüpfen, sondern die Petrussituation zum Anlass nehmen, die allgemein menschliche Bedürftigkeit nach Vergebung zu formulieren. In diesem Sinne ist Petrus dann auch trotz seines Verrates der »Fels« der späteren Gemeinde, er ist der erste, welcher der Vergebung dringend bedarf und das auch bitterlich weinend weiß. Die Bedeutung dieses Vorganges für die Passionsgeschichte liegt auf der Hand, und das unterstreicht auch noch einmal die Bedeutung dieser Arie für das Gesamtwerk. Zur Symbolik der Singstimmen in Bachs Gesamtwerk s. Theill, Gustav Adolf: Beiträge zur Symbolsprache Johann Sebastian Bachs. Bd. 1: Die Symbolik der Singstimmen, Bonn 1983.

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  9. Eine detailreiche und sehr informierte Einordnung dieses Chorals in den Gesamtkontext der Matthäuspassion nimmt vor: Hill, David: »The Time of Sign: ›O Haupt voll Blut und Wunden‹ in Bachs St. Matthew Passion«, in: The Journal of musicology 4/14 (1996), S. 514–543.

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  10. In der Musikwissenschaft nennt man diese Übernahme von Melodien für andere Texte »Parodie«, meint also damit etwas ganz anderes als den Begriff der »Parodie« in der Literaturwissenschaft. Die Melodie des Hasler-Liedes wurde bei Bach auch nicht sofort für O Haupt voll Blut und Wunden verwendet, sondern wurde von ihm zunächst für den Choral Befiehl du deine Wege benutzt. Diese lange Verwendungsgeschichte trug mit dazu bei, dass der Bach-Gemeinde die Melodie und auch der Choral bestens vertraut waren. Zum Verfahren der Parodie bei Bach s. Häfner, Klaus: Aspekte des Parodieverfahrens bei Johann Sebastian Bach. Beiträge zur Wiederentdeckung verschollener Vokalwerke, Laaber 1987.

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  11. Blumenberg, Hans: Die Matthäuspassion, Frankfurt a.M. 1988, S. 240. Blumenberg besteht in seiner philosophischen Auseinandersetzung mit der Matthäuspassion darauf, die Passion nicht auf ihren Tatsachenrealismus hin zu betrachten und wendet sich so entschieden gegen die Kerygmatheologie Bultmanns. Er stellt sich vielmehr die Frage, wieso die Matthäuspassion die ihr eigene ungebrochene Attraktivität auch für diejenigen hat, die ihren Erzählungen nicht als Tatsachen glauben. Eine Antwort darauf findet er im hohen ästhetischen Reiz der Bachschen Musik und auch in der Suggestivität der verwendeten Metaphern. Vgl. dazu auch Erne, Thomas: »Die theologische Großzügigkeit der Musik. Hans Blumenbergs Matthäuspassion«, in: Magazin für Theologie und Ästhetik 10 (2001). http://www.theomag.de/10/te2.htm. Gesehen am 7. 4. 2004. Zur Bildlichkeit bei Hans Blumenberg s. insbesondere auch Stoellger, Philipp: Metapher und Lebenswelt. Hans Blumenbergs Metaphorologie als Lebenswelthermeneutik und ihr religionsphänomenologischer Horizont, Tübingen 2000.

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  12. Vom Schmerz als Grunddisposition der Welt und deshalb auch der Matthäuspassion hat Martin Geck gesprochen: »Bedeutsam an dieser großen Musik ist die Art ihrer Trauerarbeit: Schmerz, Unruhe, Grausamkeit, Verrat, Sterblichkeit werden als das gesehen, was sie sind: Existenzialien, mit denen es zu leben gilt. Keine Schönheitsfehler, die sich aufklären ließen, sondern Grunddispositionen, die in der Welt sind, weil es die Welt gibt.« Geck, Martin: »Denn alles findet bei Bach statt«. Erforschtes und Erfahrenes, Stuttgart 2000, S. 2.

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  13. Elke Axmacher hat gezeigt, wie sehr diese Haltung dem lutherischen Verständnis von Passion entspricht, wenn sie ausführt: »Christi Leiden bewirkt also in uns Leid über uns selbst, d. h. Reue und Buße, dann aber — und darauf vor allem zielt diese Passionsbetrachtung — Trost und Freude über die Versöhnung mit Gott.« Axmacher, Elke: »Die Deutung der Passion Jesu im Text der Matthäus-Passion von J. S. Bach«, in: Luther. Zeitschrift der Luther-Gesellschaft 56 (1985), S. 49–69, hier S. 53.

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  14. Zur generellen Problematik von Sinnbildlichkeit in Bachs Werk s. Eggebrecht, Hans Heinrich: »Sinnbildlichkeit in Text und Musik bei Johann Sebastian Bach«, in: Steiger, Renate (Hg.): Sinnbildlichkeit in Text und Musik bei Johann Sebastian Bach, Heidelberg 1988, S. 15–27. Im Gegensatz zu dieser eine Sinnbildlichkeit problematisierenden Haltung vertritt Rüdiger Bartelmus die Auffassung vom vierfachen Symbolsinn der Bachschen Matthäuspassion: als Glaubensbekenntnis, als religionswissenschaftliches Symbol, als archetypisches Bild des Unbewussten und als Symbol, in dem Zeichen und Bezeichnetes nicht notwendig zusammenfallen: Bartelmus, Rüdiger: »Die Matthäuspassion J. S. Bachs als Symbol. Gedanken zu einem unerschöpflichen musikalisch-theologischen Werk«, in: Theologische Zeitschrift 47 (1991), S. 18–65.

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Hermann, I. Musik, Text und Schmerz in Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion. Z Literaturwiss Linguistik 36, 30–51 (2006). https://doi.org/10.1007/BF03379523

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