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Robert Walsers Jakob von Gunten Eine „Null“-Stelle der deutschen Literatur

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Nimmt man Robert Walsers Roman Jakob von Gunten (1909) in seiner mathematischen Metaphorik beim Wort, so konstituiert er einen „Null“-Punkt der literarischen Moderne: er formuliert einen neuen, reflexiven Begriff des „Individuums“, er zeichnet eine Ästhetik der Peripherie, und er markiert mit dem Umschlagen von Zivilisation in Wüste eine versteckte Traditionslinie, die bis in die literarische Gegenwart hineinführt.

Abstract

If we take literally the mathematical metaphor of the „zero“ in Robert Walser’s novel Jakob von Gunten (1909), then it constitutes an origin of literary modernity: it formulates a new, reflexive concept of the individual, it charts an aesthetics of the peripheral, and along the borderline of civilization and desert it delineates a concealed tradition that leads into the literary present.

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Literature

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Utz, P. Robert Walsers Jakob von Gunten Eine „Null“-Stelle der deutschen Literatur. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 74, 488–512 (2000). https://doi.org/10.1007/BF03375551

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