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Das Lager als Paradigma der Moderne Der Kriegsgefangenendiskurs in der westdeutschen Nachkriegsliteratur (1946–1966)

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Kriegsgefangenschaft und Lagerhaft waren in der westdeutschen Literatur ein breit diskutiertes Thema. U.a. setzten sich Autoren aus dem engeren Umfeld der Gruppe 47 damit auseinander. Der Aufsatz erörtert eine zentrale apologetische Denkfigur des literarisch-publizistischen Lagerdiskurses: Die NS-Verbrechen werden relativiert, indem die Autoren das Lager zu einem allgemeinen Paradigma der Moderne erheben.

Abstract

Camp captivity and the fate of German POWs were a highly discussed topic in West German Literature. Amongst others, members of the Group 47 joined the literary discourse. The article reconsiders an essential exculpatory concept of that discourse: to comprehend the Nazi crimes in relative terms, the writers emphasize the Camp as a universal paradigm of modernity.

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Ächtler, N. Das Lager als Paradigma der Moderne Der Kriegsgefangenendiskurs in der westdeutschen Nachkriegsliteratur (1946–1966). Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 87, 264–294 (2013). https://doi.org/10.1007/BF03374678

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