Skip to main content
Log in

Platons Paradox des Bildes und die Instabilität des Wortes in Goethes Iphigenie auf Tauris

  • Published:
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

for Leela Da die Wiedererkennung Wiedererkennung von Personen ist, bezieht sie sich bald nur auf die eine Person im Verhältnis zu anderen…, bald müssen beide Personen sich gegenseitig wiedererkennen. Aristoteles, Poetik

Zusammenfassung

Simulakra oder Trugbilder verwirren in Goethes Schauspiel die Ordnung des Seienden und Nichtseienden derartig, daß die Wahrnehmbarkeit des Wirklichen fraglich wird. Auch die Wörter des Orakels sind trügerisch, solange sie kontextunabhängig als Abbilder des Wirklichen verstanden werden. Dementgegen versucht Goethe, die Eigenständigkeit von Bild und Wort zu denken.

Abstract

Simulacra or deceptive images confuse the orders of the real and the non-real to such a degree in Goethe’s play that perception of reality becomes unreliable. Readings of the oracle’s words as mimetic representations risk misinterpretation if they do not recognize that words belong to this realm of deceptive images. Orests task is to recognize images and words as distinct from reality.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literature

  1. Auch Helmut Schanze liest die lphigenie von der Bild-Problematik her und verbindet dies mit der Frage der Erinnerung, wobei er auch die Todesfälle in Goethes Umkreis, vor allem denjenigen der Schwester Cornelia von 1778, anführt (Goethes Dramatik. Theater der Erinnerung, Tübingen 198

  2. Der Sophist, übers. Helmut Meinhardt, RUB 6339, Stuttgart 1990, 96–99.

  3. Alle übrigen Werke Piatons werden in der Übersetzung Schleiermachers zitiert, Sämtliche Werke, hrsg. Karlheinz Hülser, Frankfurt, Leipzig 1991.

  4. Die Frage des platonischen εϊδωλα entfaltet Jean-Pierre Vernant unter anderem in “Naissance d’images”, in: ders., Religions, histoires, raisons, Paris 1979, 106–37.

    Google Scholar 

  5. Martin Heidegger, Platon. Sophistes, Vorlesung 1924/1925, Frankfurt a. M. 1992.

    Google Scholar 

  6. Vergleiche Jean-Pierre Vernant, “Au miroir de Méduse”, in: ders., L’individu, la mort, l’amour. Soi-même et l’autre en Grèce ancienne, Paris 1989, 117–29, hier: 121–22.

    Google Scholar 

  7. Auch Karl Philipp Moritz beginnt in seiner Götterlehre von 1795 den Eintrag zu Apollon: “Das erste Urbild des Apollo ist der Sonnenstrahl…” (Leipzig 1989, 79).

    Google Scholar 

  8. HA XIII, 324. In der ersten Fassung der Übersetzung und Dichtung von nach dem 30. 8. 1805, auf die Goethe wiederum in den Zahmen Xenien zurückkommt, hatte die zweite Zeile noch gelautet: “Die Sonne könnt’ es nie erblicken” (vgl. WA I, III, 279 und 439, Anm. 236). Am 1. 9. 1805 schickt Goethe auch eine Plotin-Übersetzung an Zelter, die wiederum modifiziert in Aus Makariens Archiv in Wilhelm Meisters Wanderjahre einging (HA VIII, 464–65, Nr. 17–25). Zurecht weist Erich Trunz im Kommentar der Hamburger Ausgabe darauf hin, daß die drei anschließenden Aphorismen eine Diskussion mit Plotin anstrengen, wobei deren Akzent allerdings weniger auf der Einheit alles Seienden liegt als vielmehr auf dem bildlichen Erscheinen, welches in einer kantisch gewendeten Diskussion Theoremata und Pragmata zu Gunsten letzterer vermittelt (HA VIII, 684). Goethe hat sich bereits 1764 intensiv mit Plotin beschäftigt (WA I, XXVII, 382). Zu Goethes Plotin-Lektüre vergleiche die von Ernst Grumach zusammengetragenen Fundstellen, Goethe und die Antike, Potsdam 1949, 815–21.

    Book  Google Scholar 

  9. Plotin, Die geistigen Gegenstände sind nicht außerhalb des Geistes. Das Gute, Plotins Schriften, übers. Richard Harder, Hamburg 1964, III. Im folgenden wird aus dieser von Porphyrius mit der ‘chronologischen’ Nummer XXXII bezifferten Schrift durch Angabe der Kapitel-, dann der Satznummer zitiert, hier: 1, 12.

    Google Scholar 

  10. Vergleiche auch Raymond C. Ockenden, “On Bringing Statues to Life. Reading Goethes’s Iphigenie aufTauris and Torquato Tasso”, Publications of the English Goethe Society 55 (1984–85), 69–106.

    Google Scholar 

  11. Karl Philipp Moritz, Schriften zur Ästhetik und Poetik, hrsg. Hans J. Schrimpf, Tübingen 1962, 63—92. Vergleiche auch die um ein Nachwort von Hans J. Schrimpf und Hans Adler bereicherte Ausgabe, Beiträge zur Ästhetik, Mainz 1989. Goethe hat sich zu dem Text zweimal ausführlich geäußert. Einmal indem er, um einen Neudruck des Textes von Moritz zu erwirken, im Zweiten Römischen Aufenthalt der Italienischen Reise einige Seiten abdruckt, wobei Goethe beginnt mit dem Satz “Der Horizont der tätigen Kraft aber muß bei dem bildenden Genie… selber sein”. Kurz später heißt es: “Sie [die Tatkraft] muß alle jene Verhältnisse des großen Ganzen… in einem Brennpunkt fassen “ und “die bildende Kraft” müsse darauf den “Abglanz des höchsten Schönen im verjüngenden Maßstab” übertragen (HA XI, 534–541). Zum anderen hat Goethe 1789 im Teutschen Merkur eine Rezension veröffentlicht, die ebenfalls die optischen Metaphern und Strahlen unterstreicht (WA I, XLVII, 84–90).

  12. Vgl. Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexicon, reprograph. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1770, Darmstadt 1986, 487.

    Google Scholar 

  13. Karl Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Jena 1934, seitengleich mit den Ausgaben Frankfurt a.M., Berlin, Wien 1978 und Stuttgart, New York 1982. Ich danke Bianca Theisen für den Hinweis.

    Google Scholar 

  14. Für Derrida wird daher jedes Sprechen zu einem Sprechakt, weil es nur in Beziehung zu einem jeweils singulären Kontext gedacht werden kann und jede Wiederholung es durch einen neuen, seinerseits singulären Kontext verändern wird; vergleiche die Auseinandersetzung mit Searle: Jacques Derrida, Limited Ine, Evanston 1988.

    Google Scholar 

  15. Vergleiche auch die scheiternde Dialektik von Hier und Dort bei Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke, hrsg. Eva Moldenhauer, Karl Markus Michel, Frankfurt a.M. 1970, III, 82–92.

  16. Iphigenie aufTauris ist in den letzten Jahrzehnten nicht ohne Berechtigung vor allem in Hinblick auf Ethik und Humanität diskutiert worden. Einen Einstieg in diese Auseinandersetzungen bieten Arthur Henkel, “Iphigenie auf Tauris”, in: Benno von Wiese (Hrsg.), Das deutsche Drama vom Barock bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1958, I, 169–192

    Google Scholar 

  17. , und Dieter Kimpel, “Ethos und Nomos als poetologische Kategorien bei Platon-Aristoteles und das Problem der substantiellen Sittlichkeit in Goethes Iphigenie auf Tauris”, GRM 33 (1983), 367–393.

    Google Scholar 

  18. Arthur Henkel hat auf das eigentümliche Gebet Iphigenies an die Götter aufmerksam gemacht: “… rettet euer Bild in meiner Seele” (1717). Iphigenie bittet die Götter hier, den Ermöglichungsgrund für ihren Glauben an die Götter zu stiften oder zu bewahren. Das heißt aber, daß dieses Gebet bereits seines Ermöglichungsgrundes in den Göttern ermangelt. Damit ist das Gebet als Anrufung der Götter fraglich geworden. Insofern “entmythologisiert” Iphigenie die “Basis ihres Glaubens” und kommt zum “Schluß der notwendigen Selbstbehauptung”, mithin Göttlichkeit des Menschen (Arthur Henkel, “Die Verteufelt humane’ Iphigenie”, Euphorion 59 [1965], 1–17, hier: 14—15).

    Google Scholar 

  19. Theodor W. Adorno, “Zum Klassizismus von Goethes Iphigenie”, in: ders., Noten zur Literatur, Frankfurt a.M. 1981, 495–514.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Breithaupt, F. Platons Paradox des Bildes und die Instabilität des Wortes in Goethes Iphigenie auf Tauris. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 69, 205–230 (1995). https://doi.org/10.1007/BF03374564

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF03374564

Navigation