Zusammenfassung
Die Entstehungsgeschichte der beiden Systeme der sozialen Sicherheit bestätigt, daß solche Systeme stets Teil und zugleich konstitutives Element nationaler Geschichte sind. Ihr Ist-Zustand ist von dieser nun über 100jährigen Geschichte geformt und kann nicht mehr aus z. B. nur einer politischen Ideologie erklärt werden. Das Paradoxon der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten liegt darin, daß diesegegen die organisierte Arbeiterschaft weitgehend nach den Interessen einer mächtigen Agrarlobby als egalitäre, steuerfinanzierte Systeme errichtet worden sind. Im Zuge des weiteren Ausbaus und der ständigen Anpassung an die sich modernisierenden Gesellschaften blieben die Basisstrukturen aber mutatis mutandis bis heute erhalten, wobei signifikant ist, daß es eine „reine“ Grund- oder Volksrenteohne eine den Lebensstandard der Arbeitnehmer sichernde Zusatzrente nur in den Anfängen gab. Während man in Dänemark mit beeindruckender gesetzgeberischer Fantasie das System der sozialen Sicherheit zum Instrument dafür macht, die jetzt und in Zukunft erforderlichen Prozesse permanenten Wandels individuell erträglich zu gestalten, hat man in Schweden nach schweren, dieses System gefährdenden wirtschaftlichen Rückschlägen die politische Kraft zur tiefgreifenden Reform aufgebracht.
Die Skizze der normativen Konstruktion des neuen Rechts der Alterssicherung in Schweden läßt die darin gesetzte Hoffnung, nun ein stabiles System für das nächste Jahrhundert geschaffen zu haben, plausibel erscheinen. Beeindruckend ist dabei neben dem ausgeklügelten Mechanismus der Austarierung von Leistung und Gegenleistung im Generationenvertrag der Modus, wie das „demografische Problem der Überalterung“ aufgelöst wird: Da es grundsätzlich ja nichts schlechtes ist (sondern das Gegenteil des überkommenen Verständnisses von einem „sozialen Risiko“), wenn man auf eine länger Lebenserwartung hoffen darf, als dies früher der Fall war, wird darin auch kein Grund gesehen, der jüngeren Generation schwerere Lasten aufzubürden, als man selbst hat tragen müssen. Daß damit bei besonders hohem Alter auch Verzicht zugemutet wird, scheinen Alt und Jung schon deshalb akzeptiert zu haben, weil für die Jungen ja gegenwärtig eine noch einmal höhere Lebenserwartung wahrscheinlich ist als die, aus der sich das aktuelle „demografischen Problem“ ergeben hat. Schließlich birgt die Konstruktion der „demografischen Teilungszahl“ auch Trost. Wenn das eigene Alter das der statistischen Alterskohorte am Ende übertrifft, kann doch auf ein stabiles Alterseinkommen ohne Abschläge und (weitgehend) ohne familiäre Abhängigkeit gebaut werden.
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Vortrag auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft am 18. März 1998 in Dortmund.
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Köhler, P.A. Grundrentensysteme im Rechtsvergleich. Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 87, 653–684 (1998). https://doi.org/10.1007/BF03188037
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