Zusammenfassung
Ziel der Studie war es, das Kraftfahrzeug-Fahrverhalten von Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration und diabetischer Retinopathie, welche in der Netzhautambulanz eines Zentralkrankenhauses betreut werden, zu analysieren. Gleichzeitig werden die unterschiedlichen Anforderungen an die Sehleistung in einigen europäischen Staaten aufgezeigt und mit den erhobenen Visusbefunden und dem Fahrverhalten der Führerscheinbesitzer verglichen. Diese Daten sollen es ermöglichen, einen gut passenden Zeitpunkt für in Zukunft zu erwartende, gesetzlich vorgeschriebene augenärztliche Kontrolluntersuchungen bei Führerscheinbesitzern vorzuschlagen, um einerseits überflüssige Kontrolle weitgehend zu vermeiden, andererseits aber auch Probleme aus dem ophthalmologischen Bereich zeitgerecht zu erfassen.
Es wurden 173 Führerscheinbesitzer mit altersbedingter Makuladegeneration oder diabetischer Retinopathie in die Studie eingeschlossen.
Bei den noch aktiven Lenkern eines Kraftfahrzeuges wurde der Visus, mit dem die Patienten tatsächlich ihr Kfz lenkten, bestimmt und mittels eines Fragebogens die aktuellen Fahrgewohnheiten und die Aufklärung der Patienten durch den Augenfacharzt erfragt. Das Sehvermögen wurde anschließend den derzeit geltenden Anforderungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz gegenübergestellt. Gleichzeitig wurden die erhobenen Daten mit denen einer an der Landesaugenklinik bereits durchgeführten Studie über das Kfz-Fahrverhalten von Patienten mit Cataract verglichen.
Von den 173 Führerscheinbesitzern mit Netzhautleiden benützten noch 114 aktiv ihren Pkw. Die gesetzlichen Anforderungen an das Sehvermögen wurden von 43% dieser Lenker nicht erfüllt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung, und unter der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung des Leidens in der Bevölkerung, muss man daher in Österreich mit insgesamt 48.000 Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration (AMD) sowie 35.000 Menschen mit diabetischer Retinopathie rechnen, die unerlaubt ihr Kfz lenken. Im Vergleich dazu wiesen bei entsprechender Hochrechnung „nur“ 3.000 der 35.000 bis 40.000 in Österreich im Jahr zur Cataractoperation an Augenabteilungen zugewiesenen Patienten einen dem Gesetz nicht entsprechenden Visus auf. Das Durchschnittsalter der „gesetzwidrig“ Kfz lenkenden Personen betrag bei den Patienten mit Netzhautleiden 63,7 Jahre, bei den Patienten mit Cataract 72,5 Jahre.
Innerhalb der EU sind deshalb nicht nur einheitliche gesetzliche Richtlinien zum Lenken eines Kfz, sondern auch augenärztliche Kontrolluntersuchungen bei Führerscheininhabern ab einem bestimmten Lebensalter, aber auch bei bestimmten Leiden (wie Diabetes mellitus, AMD) zu fordern. Eine verpflichtende Aufklärung mit Dokumentation sollte immer durch den behandelnden Augenarzt erfolgen.
Summary
This study was designed to evaluate the driving habits of patients with retinal diseases. The main purpose was to compare the visual acuity results to the currently valid EU-requirements for visual acuity when driving motor vehicles. With these data it will be possible to suggest the most adequate age for a mandatory eye examination as required by European law in the near future aimed to identify persons who are likely to have a higher risk for accidents when driving.
A total of 173 patients, all holders of a valid driving licence, suffering from diabetic retinopathy or age-related macular degeneration were enrolled in this study. Visual acuity (corrected or uncorrected depending on the driving habit) was recorded and a detailed questionnaire regarding their driving habits was requested. The results were analysed in view of the legal requirements of several Central European countries. Additionally the data were compared with findings of a recent study of the Eye Clinic Salzburg dealing with driving habits of patients with cataract prior to surgery.
Of 173 patients holding a valid driving licence a total of 114 were still actively driving, 43% of those with insufficient visual acuity as required by law. Considering the total Austrian population, it seems probable that around 35.000 patients suffering from diabetic retinopathy and 45.000 patients with age-related macular degeneration might be driving their cars „illegally“. Comparing these data to the group of patients with cataract, about 3.000 out of the 35.000 who undergo cataract surgery per year in Austria were driving „illegally“. The average age of these drivers with retinal disease was 63.7 years as compared to 72.5 years in patients suffering from cataract.
Within the European Community standardized legal requirements for driving a motor vehicle should be clearly defined and a mandatory eye exam by qualified ophthalmologists should be requested at a specific age following a general consensus in normal patients and in patients with different eye diseases. Ophthalmologists should also be obliged to give sufficient information to their patients including adequate documentation of this fact.
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Emesz, M., Wohlfart, C., Ruckhofer, J. et al. Über das Kfz-Fahrverhalten von Patienten mit Netzhautleiden unter Berücksichtigung der Anforderungen an das Sehvermögen zum Lenken eines Pkws in Europa. Spektrum Augeheilkd 16, 225–229 (2002). https://doi.org/10.1007/BF03164340
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF03164340
Schlüsselwörter
- Führerschein
- Fahrverhalten
- diabetische Retinopathie
- altersbedingte Makuladegneration
- Cataract
- Visus
- gesetzliche Erfordernisse