Zusammenfassung
Eine Anzahl karbonischer Goniatiten bot Gelegenheit, die Entwicklung der Lobenlinie von der Primärsutur ab zu verfolgen. Bei ihnen, ebenso wie bei den devonischen und permischen Ammoneen, besteht die Primärsutur aus drei Loben-Elementen, I, L und E, die als Protoloben den später durch Sattelspaltung neu gebildeten Metaloben gegenübergestellt werden. Der primäre Laterallobus aller dieser Formen liegt auf bzw. unmittelbar neben der Naht. Bei den untersuchten karbonischen Goniatiten wird diese ursprüngliche umbilikale Lage zeitlebens beibehalten, und die weitere Ausgestaltung der Lobenlinie erfolgt durch Bildung von Adventiv- und Umbilikalloben. Ein abweichendes Verhalten zeigt eine Reihe devonischer Goniatiten, bei denen der anfänglich nabelnahe Laterallobus auf die Mitte der Flanken verlagert wird und eine Adventivloben-Bildung unterbleibt.
Diese Beobachtungen geben Anlaß zur Untersuchung der Frage, ob eine morphogenetisch basierte Terminologie der Lobenlinie allgemein durchführbar ist bzw. wo die Grenzen ihrer Anwendbarkeit liegen. Grundsätzlich gebührt ihr unzweifelhaft der Vorrang vor einer rein formalen Bezeichnungsweise der Loben, die sich lediglich auf deren Lage und Ausprägungsgrad in der abgeschlossenen Lobenlinie gründet und eine Erfassung der wirklichen Homologien nicht gewährleistet. Die genetische Terminologie ist bei dem heutigen Stand der Beobachtungsgrundlagen ohne weiteres durchführbar bei den devonischen, karbonischen und permischen Ammoneen, während bei den triadischen und vor allem den jungmesozoischen Ammoniten noch gewisse nicht überwundene Schwierigkeiten bestehen. Ein höheres Entfaltungsstadium der Lobenlinie, dessen allmählicher Aufbau sich bei den paläozoischen Goniatiten verfolgen läßt, ist hier durch Entwicklungsbeschleunigung bereits in die Primärsutur vorverlegt, so daß eine Handhabe fehlt, die Entstehungsfolge der Loben zu analysieren. Eine sichere Homologisierung mit den Loben der Goniatiten ist infolgedessen einstweilen nicht möglich; es kann hier lediglich von einem morphologischen Lateral-, Adventiv- oder Umbilikallobus gesprochen werden.
Die überraschende Entwicklung der Lobenlinie vonSpiroceras, Bochianites und anderen ausgerollten Ammoniten zeigt, auf welch unsicheren Füßen eine rein morphologische Ausdeutung der Alterslobenlinie steht. Sie liefert ferner gewisse Hinweise in der Richtung, daß die bisherige Interpretation der ammonitischen Lobenlinie falsch bzw. mit der der Goniatiten nicht konform ist.
Auf Grund der erlangten Ergebnisse wird eine vonV. E. Ruzhencev vorgeschlagene neue Terminologie der Lobenlinie kritisch überprüft und abgelehnt. Sie gründet sich lediglich auf das Verhalten der jungpaläozoischen Ammoneen, berücksichtigt nicht genügend das morphogenetische Moment und ist auf die Ausgangsstadien der Lobenlinie, wie sie bei den devonischen Ammoneen vorliegen, nicht übertragbar.
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Schindewolf, O.H. Zur Morphogenie und Terminologie der Ammoneen-Lobenlinie. Paläont. Z. 25, 11–34 (1951). https://doi.org/10.1007/BF03044008
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