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Über Kampfgasvergiftungen. IX. Lokal reizende Arsenverbindungen.

Nach Versuchen von M. Bacharach, M. Busch, J. Gattner, O. Gros, P. György,J. Kerb, S. Loewe, Th. A. Maass,M. Rosenberg, P. Rona, K. Schübel, K. Wachtel, H. Wieland, F. Zernik u. a.

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Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin

Zusammenfassung

Die pharmakologische Untersuchung von mehreren hundert organischen Arsenverbindungen hat ergeben, daß einem großen Teil dieser Substanzen außerordentlich starke Wirkungen zukommen. Die intensive Zellgiftwirkung äußert sich überall, wo die Substanzen in fester, flüssiger Form oder als Dampf mit lebenden Zellen in Berührung kommen. Dies gut auch für diePf lanzenzelle. Sie unterscheiden sich von den starken Ätzmitteln dadurch, daß sie bereits in allergeringsten Konzentrationen schwere Entzündungserscheinungen und Nekrose der betroffenen Gewebe hervorrufen. In qualitativer Hinsicht bestehen keine wesentlichen Unterschiede gegenüber den in den vorhergehenden Arbeiten geschilderten Wirkungen der anderen Reizstoffe. Auch die Arsen-verbindungen wirken auf die Atemwege und die Lunge, das Sehorgan und die äußere Haut und verursachen dadurch akutes toxisches Lungenödem, schwere Capillarschädigungen, Bildung von Pseudomembranen in der Luftröhre, Bindehautentzündungen und Nekrose des Hornhautepithels am Auge und unter Umständen auch Entzündung der äußeren Haut mit Blasenbildung und tieferer Gewebszerstörung. Der allgemeine Charakter der Wirkung gleicht bald mehr der Wirkung des Phosgens, bald mehr dem Typus der schwefelhaltigen Reizstoffe wie z. B. dem Dichloräthylsulfid. Trotzdem bestehen bei den Arsenverbindungen gewisse Eigentümlichkeiten. Die Reizung der sensiblen Nerven übertrifft an Intensität die Wirkung aller bis jetzt bekannten chemisch genau definierten Verbindungen bei weitem.

Die Reizwirkung erstreckt sich ferner nicht nur auf die direkt und zunächst betroffenen Schleimhautbezirke, sondern sie ergreift auch in charakteristischer Weise das Gebiet der sog. Nebenhöhlen. Die mit großer Regelmäßigkeit nach Einatmung der Dämpfe beobachteten Zahn- und Kieferschmerzen, der Kopfdruck in der Stirngegend, die unangenehmen Druckempfindungen im Ohr können nur als die Folgen von Schleimhautschwellungen erklärt werden. Eigentümlich ist weiter die Ausstrahlung der Schmerzen von der Brustgegend bis in die oberen Extremitäten, wie sie in ähnlicher Stärke bei anderen Reizstoffen kaum beobachtet wird. Schließlich gehört hierher noch die Erscheinung, daß die Reizwirkung nach einiger Zeit, auch nach Entfernung aus der Reizstoffatmosphäre, sich noch wesentlich verstärkt und vertieft. Es kommt zu ausgeprägter „Nachwirkung“, die bei manchen Verbindungen wellenförmig verläuft und durch abwechselnde Verstärkung und Abschwächung gekennzeichnet ist.

Auch resorptive Wirkungen fehlen nicht. Sie treten vor allem bei den niederen Verbindungen, den aliphatischen Derivaten deutlich hervor. Diese Substanzen nähern sich in ihrer charakteristischen Wirkung mehr dem Arsenwasserstoff und den Kakodylverbindungen. Bei hochmolekularen Verbindungen zeigen sich resorptive Wirkungen nur dann, wenn relativ große Mengen eingeatmet werden oder ausgedehnte Hautbezirke von der Giftwirkung betroffen sind. Sie entsprechen in ihren charakteristischen Zügen durchaus dem vielgestaltigen Bild der Arsenvergiftung.

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Literatur

  1. Vgl. hierzu den lehrreichen Bericht über eine im Laboratorium erfolgte Inhalationsvergiftung durch Arsenik, bei der starke Reizerscheinungen der Nasenschleimhaut, der Lippen, Augen, der Luftröhre und der äußeren Haut auftraten, bei H. Eulenberg, Die Lehre von den schädlichen und giftigen Gasen, Braunschweig 1865, S. 410.

Literatur

  1. W. La Coste, Über Benzarsinsäuren und deren Derivate. Annalen d. Chemie u. Pharmazie208, 33. 1881.

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Literatur

  1. Vgl. hierzu E. Sieburg, Zur Biologie aromatischer Arsenverbindungen. Zeitsohr, f. physiol. Chemie97, 53. 1916. Mit zahlreichen Literaturangaben.

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Literatur

  1. Vgl. hierzu Bertheim, Aromatische Arsenverbindungen. Stuttgart 1913. H. Schmidt, Die aromatischen Arsenverbindungen. Berlin 1912. M. Nierenstein, Organische Arsenverbindungen. Stuttgart 1912.

Literatur

  1. W. La Coste und A. Michaelis, Über aromatische Arsenverbindungen. Annalen d. Chemie u. Pharmazie201, 198 u. 200. 1880.

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Literatur

  1. Bei dieser Substanz, dem Paranitrophenylarsindichlorid, ist vielleicht aus dem Ausfall der auf S. 541 erwähnten Reagensglasproben erwähnenswert, daß auf die Gelatinen eine deutliche Quellungswirkung, feststellbar an der Vorwölbung des Gelatinemeniscus, zu beobachten war. Eine Oxydationswirkung, erkennbar an der Bläuung der Jodkalium-Stärkegelatine, trat indessen nicht ein (im Gegensatz z. B. zu dem aliphatischen Nitrochlorid Chlorpikrin). Die Säuerung der Lackmusgelatine trat später als bei dem geprüften aliphatischen Dichlorid, dem Äthylarsindichlorid, auf, und die entstehende Rötung behielt auch nach längerer Beobachtungszeit eine wesentlich geringere Ausdehnung in die Tiefe, nur etwa 1/3 der Reagensglashöhe, also immerhin bedeutend mehr als bei Diphenyl-arsinchlorid (vgl. S. 550).

Literatur

  1. Hans Schmidt, Die Diazosynthese aromatischer Arsen- und Antimonverbindungen. Über aromatische Antimonverbindungen. (S. 246, Übersicht über die Literatur.) Leipzig 1920, bei C. F. Winter.

Literatur

  1. Die ersten orientierenden Versuche wurden von Herrn Dr. Th. A. Maass ausgeführt.

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  1. R. Robert, Lehrbuch der Intoxikationen. 2. Aufl. 2. Bd. S. 250. -E. Harnack, Die relative Immunität neugeborener Salamandra maeulata gegen Arsen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 48, 61. 1902. - O. Loew, Notiz über die relative Immunität junger Salamander gegen arsensaure Salze. Ebenda 49, 249. 1903. - O. Loew, Sind Arsenverbindungen Gift für pflanzliches Protoplasma? Arch. f. d. ges. Physiol. 32, 111. 1883. - O. Loew, Ein natürliches System der Giftwirkungen. München 1893. S. 19 u. 29. - O. Loew, Über Giftwirkung. Arch. f. d. ges. Physiol. 40, 444. 1887. 572 1) M. Onaka, Über die Wirkung des Arsens auf die roten Blutzellen. Zeitschr. f. Physiol. Chemie 70. Bd., S. 433. 1910/11. 573 Zusammenfassung. Die pharmakologische Untersuchung von mehreren hundert organischen Arsenverbindungen hat ergeben, daß einem großen Teil dieser Substanzen außerordentlich starke Wirkungen zukommen. Die intensive Zellgiftwirkung äußert sich überall, wo die Substanzen in fester, flüssiger Form oder als Dampf mit lebenden Zellen in Berührung kommen. Dies gut auch für diePf lanzenzelle. Sie unterscheiden sich von den starken Ätzmitteln dadurch, daß sie bereits ’in allergeringsten Konzentrationen schwere Entzündungserscheinungen und Nekrose der betroffenen 1) C. Oppenheimer, Die Fermente. IV. Aufl. 2. Bd. S. 855. Leipzig 1913 574 Gewebe hervorrufen. In qualitativer Hinsicht bestehen keine wesentlichen Unterschiede gegenüber den in den vorhergehenden Arbeiten geschilderten Wirkungen der anderen Reizstoffe. Auch die Arsen-verbindungen wirken auf die Atemwege und die Lunge, das Sehorgan und die äußere Haut und verursachen dadurch akutes toxisches Lungenödem, schwere Capillarschädigungen, Bildung von Pseudomembranen in der Luftröhre, Bindehautentzündungen und Nekrose des Hornhautepithels am Auge und unter Umständen auch Entzündung der äußeren Haut mit Blasenbildung und tieferer Gewebszerstörung. Der allgemeine Charakter der Wirkung gleicht bald mehr der Wirkung des Phosgens, bald mehr dem Typus der schwefelhaltigen Reizstoffe wie z. B. dem Dichloräthylsulfid. Trotzdem bestehen bei den Arsenverbindungen gewisse Eigentümlichkeiten. Die Reizung der sensiblen Nerven übertrifft an Intensität die Wirkung aller bis jetzt bekannten chemisch genau definierten Verbindungen bei weitem. Die Reizwirkung erstreckt sich ferner nicht nur auf die direkt und zunächst betroffenen Schleimhautbezirke, sondern sie ergreift auch in charakteristischer Weise das Gebiet der sog. Nebenhöhlen. Die mit großer Regelmäßigkeit nach Einatmung der Dämpfe beobachteten Zahn- und Kieferschmerzen, der Kopfdruck in der Stirngegend, die unangenehmen Druckempfindungen im Ohr können nur als die Folgen von Schleimhautschwellungen erklärt werden. Eigentümlich ist weiter die Ausstrahlung der Schmerzen von der Brustgegend bis in die oberen Extremitäten, wie sie in ähnlicher Stärke bei anderen Reizstoffen kaum beobachtet wird. Schließlich gehört hierher noch die Erscheinung, daß die Reizwirkung nach einiger Zeit, auch nach Entfernung’ aus der Reizstoffatmosphäre, sich noch wesentlich verstärkt und vertieft. Es kommt zu ausgeprägter „Nachwirkung“, die bei manchen Verbindungen wellenförmig verläuft und durch abwechselnde Verstärkung und Abschwächung gekennzeichnetist. 576 1) F. Hofmeister, Über Methylierung im Tierkörper. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 33, 198. 1894. 577; 1) P. Rona und P. György, Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein Bei-trag zum,Studium der Giftwirkungen. Biochem. Zeitschr. 111, 115. 1920.

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Flury, F. Über Kampfgasvergiftungen. IX. Lokal reizende Arsenverbindungen.. Z. f. d. g. exp. Med. 13, 523–578 (1921). https://doi.org/10.1007/BF02998615

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