Zusammenfassung
Die Darstellung und Besprechung einesFalles vonBrandstiftung auf dem Boden einerschweren Zwangserkrankung gab Veranlassung, unter Ablehnung der Existenz eines spezifischen Brandstiftungstriebes auf die doch zweifellos bestehendeTriebnatur mancherscheinbar motivloser Brandlegungen hinzuweisen. Es wurde ferner eine begrifflicheGrenzziehung vorgenommen zwischenimpulsiven Triebhandlungen undHandlungen ausZwangsantrieben und gleichzeitig betont, wieselten letztere einenkriminellen Charakter haben. Bemerkenswert an dem mitgeteilten Fall ist neben seiner phänomenologischen Vielgestaltigkeit die eineroriginären Zwangsneurose entsprechende Geschlossenheit des Symptomenbildes, obwohl Verlauf und klinischer Befund einehirnpathologisch fundierte Zwangserkrankung annehmen lassen.
Similar content being viewed by others
References
Zur Geschichte und Kritik der Pyromanie vgl. u. a.Többen: Psychologie und Psychopathologie des Brandstifters. Springer: Berlin 1917.Michel: Psychologie und Psychopathologie der Brandleger. Mschr. Kriminalpsychol.25 (1934): 472 ff.
Brandstiftung als sexuelle Perversion. Diss. Tübingen 1934.
Beispiele siehe u. a. beiMichel (a. a. O.),Hoven, A. E.: Zur Psychologie der Brandstifterin. Mschr. Kriminalpsychol.23 (1932), undKant, O.: Beitrag zur Psychologie der Brandstiftung. Arch. Kriminol.79 (1926).
Allg. Z. Psychiatr.112 (1939).
Hdb. d. gerichtl. Psychiatrie, 2. Aufl., 1934, S. 359 ff.
Zbl. Neur.1939: 11 ff.
Ein Brandstifter.Erlenmeyers Korresp. 1870, Nr. 2 (zit. nachTöbben, a, a. O.).
Brandstiftung als Folge einer Zwangsidee bei einem erblich belasteten neurasthenischen Lehrer. Psychiatr. Bl. (Nd.)1897, 2 (zit. nachTöbben, a. a. O.).
Vgl. z. B. den Fall vonMichel, S. 498 seiner Arbeit, oder die vonHoven, S. 467, angeführten Beobachtungen vonJessen undMönkemöller.
„Man wird (von den Zwangskranken) oft angelogen, daß einem schwarz vor den Augen werden könnte.“ (Hoffmann: Über die Zwangsneurose. Tübingen 1934).
A. a. O. S. 44 ff.
Keiner der nächsten Angehörigen ist zu den hyperästhetischautistischen, schizoiden Psychopathentypen zu rechnen, wie sieLuxenburger (Heredität und Fam.-Typus der Zwangsneurotiker. Ref. V. Kongr. f. Psychotherapie, Baden-Baden 1930. Leipzig: Hirzel) gehäuft im nächsten Erbumkreis der Zwangsneurotiker fand. Allerdings weisen auch die Eltern der K. jene vonLuxenburger bei seinen Prob. häufig ermittelte Gegensätzlichkeit in ihrer Charakterstruktur auf (im Sinne der Polarität cyclothym-schizothym). Der Vater wird geschildert als fleißig, rechtschaffen, sehr redselig (läßt andere nicht zu Wort kommen), geltungsbedürftig und leicht erregbar bis zum Jähzorn, die Mutter als überlegend, nachdenklich, still, düster-unfreundlich, im ganzen etwas schwerdurchsichtig. Von den Geschwistern, die zum Teil persönlich von uns untersucht wurden, schlägt der Bruder Joh. am meisten dem Vater nach. Im Gegensatz zu jenem, der ein freieres, natürliches Wesen hat, ist er „von etwas gewundener Art“. Er ist verheiratet mit einer 11 Jahre älteren Kriegerwitwe. Der Bruder Wilh. ähnelt mehr der Mutter. Wie diese ist er fleißig, still, in sich gekehrt, hat jedoch nichts von ihrem sanften, ausgleichenden Wesen, ist vielmehr rechthaberisch und querköpfig. Auch den Bruder Jakob zeichnet Eigenwillen und Starrsinn aus; im übrigen wird er als zurückhaltend, freundlich und wenig intelligent bezeichnet. Von den Schwestern ist Mathilde wohl im großen ganzen das Ebenbild der Mutter, Anna — die Jüngste — eine sehr sthenische Pyknika, von heiterer, ausgeglichener Gemütsart. Allen Geschwistern ist eine betonte Gewissenhaftigkeit und Rechtschaffenheit eigen, ohne daß jedoch bei einem von ihnen anankastische Züge festzustellen wären. Diese erbbiologischen Gegebenheiten vermögen zwar nicht die sich erst im Klimakterium manifestierende schwere Zwangskrankheit unserer Pat. zu erklären, immerhin deuten sie doch darauf hin, daß Erbeinflüsse die Grundlagen haben mit schaffen helfen für die Entäußerung der involutiven Hirnerkrankung in der Form eines geschlossenen seelischen Zwangssyndroms.
Die Verbindung von chorea- und ticförmigen Bewegungen mit Zwangsvorstellungen und ihre Beziehungen zu den Zwangsvorgängen bei Zwangsneurose und Encephalitis epidemica. Beiheft 85 zur Mschr. Psychiatr.1938.
Vgl. hierzu vor allem die Ausführungen vonKehrer. (a. a. O. S. 64 ff.).
A. a. O. S. 70. „Wenn wir uns daran erinnern, daß wohl noch niemals ein Fall beobachtet worden ist, in welchem auf dem Boden einer über jeden Zweifel sichergestellten organischen Hirnkrankheit ein seelischer Zwangszustand von dem Aufbau und der Geschlossenheit beobachtet worden ist, wie wir ihn eben bei der sog. Zwangsneurose vor uns haben, so zeigt sich, daß sich, zum wenigsten heute, das Wesen derselben hirnpathologisch nicht fassen läßt.“
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Stutte, H. Brandstiftungsdrang als Zwangsphänomen. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 177, 667–682 (1944). https://doi.org/10.1007/BF02898348
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF02898348