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Einige bemerkungen bez. der zeichnungen und anderer künstlerischer äu⨿erungen von geisteskranken

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Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie

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Literaturverzeichnis

  1. 1) Mohr, Über Zeichnungen von Geisteskranken und ihre diagnostische Verwertbarkeit. Journ. f. Psychol. u. Neurol.8, 99ff. 1906.

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  2. Als ich neulich als Sachverständiger bei einem Landgerichte zu tun hatte, sah ich zufällig auf dem Platze vor dem Landgerichtsdirektor eine Gruppe von Menschen in kindlicher Weise gezeichnet, als Produkt der Zerstreutheit aufs Papier hingeworfen.

Literaturverzeichnis

  1. Kürbitz, Die Zeichnungen geisteskranker Personen in ihrer psyohologisohen Bedeutung usw. Zeitschr. f. d. ges. Neur. u. Psych. 13, H. 2, S. 153ff.

  2. Enrico Morselli, Manuale di Semijotica delle malattie mentali. Vol. II. Milano, Vallardi, 1894.

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Literaturverzeichnis

  1. Am 4. März d. J. waren unter 349 Männern in Colditz nur 2, die man als Zeichner bezeichnen konnte, bei 212 Frauen keine einzige. Das schließt natürlich nicht aus, daß gelegentlich hie und da einmal einer etwas produziert. Die Zeichner sind gern solche, die häufiger den Stift gebrauchen, wie Monteure, Elektriker, Zimmerleute usw. Daher auch die häufigen technischen oder gewerblichen Zeichnungen. Daß dort, wo mehr Gebildete da sind, also besonders in der 1. und 2. Klasse, mehr Zeichner sich vorfinden werden, ist klar, aber immerhin gewiß auch hier seltener als normalerweise.

  2. Ich fand neulich mit Kohle an einer Wand einen ganz hübschen Pferdekopf gezeichnet, der wirklich ästhetisches Vergnügen erweckte.

Literaturverzeichnis

  1. Vor kurzem las ich mit Kreide an einer Holztür Buchstaben unter einander geschrieben, die von oben nach unten gelesen “Marie” ergaben. Vielleicht liegt eine erotische Erinnerung zugrunde, vielleicht aber auch eine ganz harmlose.

  2. Interessant ist es, daß schon die römische Jugend — wahrscheinlich sie in der Hauptsache — die Marmordiele der Basilika auf dem Forum Romanum mit der Rautenfigur bedeckte, die jetzt noch eingraviert zu sehen ist. Man sieht, daß diese erotischen Tendenzen der Jugend — oft sind es allerdings nur reine Nachahmungen usw. — international sind. In der bekannten Schulstube des Palatin habe ich dagegen keine erotischen Zeichen oder Inschriften entdeckt.

  3. Am 18. März 1913 ließ ich die Aborte der Anstalt daraufhin revidieren. Es fand sich hierbei nur in zwei Aborten der Männer einiges vor und zwar in einem waren Buchstaben angeschrieben, im anderen zwei Köpfe gezeichnet. Nur in einem Abort der Frauen waren Buchstaben zu sehen. Daß Demente und Imbezille eher zu obszönen Bildern neigen, wie Simon (Mohr, S. 132) angibt, glaube ich auch, ebenso wie auch Kranke mit erregten Zustanden iiberhaupt dazu neigen. Die Manner diirften stets hier den Rekord schlagen, wie denn auch pornographische Inschriften und Zeichnungen auf weiblichen öffentlichen Aborten viel seltener anzutreffen sind, als bei Männern. Die sexuell erregte Frau wird eher mit dem Munde zoten, als in Schrift und Bild, wenigstens im allgemeinen.

Literaturverzeichnis

  1. So liegt mir z. B. ein Heft sehr schön mit Bleistift wahrscheinlich von einem Techniker ausgeführter Zeichnungen im Grandund Aufriß zn allerlei Bauten: Landhäusern, Kapelle, Kegelschüben, Uhrständem usw. vor, die, so vielich davon verstehe, richtig zu sein scheinen. Ich weiß nicht, von welchem Kranken das uralte Heft herrührt. Auf den Bückseiten der Blätter befinden sich oft Briefe an verschiedene Leute, die meist ganz vernünftig erscheinen. Auf dem Titelblatte steht schön geschrieben: “Geburt, Erziehung und Segen, — Ersparnis und erworbnes Gut — weggerissen wurde es in kurzer Spann, — Wo bleibt Vernunft und Menschensein.

Literaturverzeichnis

  1. Hier will ich gleich Zeichnungen von drei paranoischen Personen erwähnen, die mir interessant genug erscheinen. Die einen stammen von einem polnischen Mauerpolier, der konstant schriftlich und mündlich darstellte, wie er in einem Keller in Leipzig Zeuge eines Mordes an einem jungen Mädchen wurde. Der Riß des Hauses war richtig; er entwarf überhaupt für einen gewöhnlichen Maurer ganz hübsohe Häuser usw. Im Keller sah man nun stets und in rohester Weise mit Tusche die Mordtat ausgeführt. Der zweite Fall betraf einen paranoischen Lokomotivführer, der wiederholt seine Lebensgeschichte aufschrieb und in rohester und kindlichster Weise, mit schwarzer und roter Tinte, seine Verfolgungen und Qualen, die an die mittelalterliohe Inquisition erinnerten, darlegte. Der dritte Fall, den ich hier kurz berühren will, betraf einen höchst interessanten Fall von Folie à deux oder riohtiger: à trois, den ich ausführlich in einer Arbeit: Raritäten aus dem Irrenhause (Allgem. Zeitschr. f. Psych, usw.50; 1894) beschrieben habe, der leider, weil er so versteckt erschien, in den Monographien von Thomsen etc. über Folie à deux offenbar übersehen worden war, trotzdem dieser fast einzig dastehende Fall im ganzen dreimal beschrieben ward. Es handelt sich um 2 resp. 3 Schwestern, von denen eine starb. Alle hatten einen typischen Verfolgungswahn mit versteckten Größenideen. Die tonangebende war die ältere, eine echte Paranoikerin; die zweite Überlebende war die Induzierte und litt an Dem. paran., wohl ebenso die dritte, Verstorbene, die außerdem hysterische Züge darbot. Die älteste hatte nun unter dem Fenster eine Art von buntem Freskobild schön gezeichnet, das ich in meiner Arbeit veröffentlicht hatte, mit scheuÜlichen Megarenkopfen, die die Verfolgerinnen darstellen sollten, wie eine spater abgegebene schriftliche Erklarung besagte. Das waren aber alles typische Gestalten, nichts Individuelles, die nur Gemeinheit, HaB und Wut atmeten, aber sicher keine Porträtähnlichkeit. Die andere verarbeitete außerdem sehr kunstvoll Handschuhe, nahtlose Korsetts aus ausgefallenen oder gefundenen Haaren, Flachs usw. Mit dem nahtlosen Korsett glaubte sie die Welt beglücken zu konnen, da die Haare besondere mystische Eigenschaften haben sollten.

Literaturverzeichnis

  1. Wenn Morselli (l. c, S. 554) die Kunst der Irren meist eine individualistische, extra-und oft antisoziale nennt, mit armer Erfindung, bizarren Kombinationen, so diirfte das vor allem für die Dem. paran. gelten, doch auch hier nicht immer.

Literaturverzeichnis

  1. Hierher gehören auch mehrere neuere Fälle. So schilderte Ziloochi Dem. paranoides mit interessanten Ideographien. Archivio di Antrop. Criminale etc. 1912, H. 4; ref. Archiv f. Kriminalanthropol. usw.51, 677) eine Patientin, die ihren mit verschiedenen Tieren bedeckten Körper zeichnet, welche nach ihrer Empfindung sie quälen. — Heilig (Zur Kasuistik der protrahierten Dämmezustände. Allgem. Zeitschr. f. Psych.70, 160ff. 1913) beschreibt die Fahrten eines Schriftsetzers im Dämmerzustande, die er dann auch geschickt zeichnerisch wiedergab, mit Bestandteilen von Landschaften am Rheine und am Mississippi verbunden. So zeichnete er z. B. Kaimans auf Sandbänken des Mississippi ruhend, im Hintergrunde Rheinpappeln. — Marie wiederum (dessins curieux de déments précoces; ref. in Revue de Psych, etc. 1912, S. 474) spricht von geometrischen Figuren (Sterne, Spiralen usw.) eines Kranken mit astrologischen Wahnideen, während bei einem anderen alle Landschaften sich auf Kurven, Zylinder und Kegelabsehnitte zurückführen lassen. Vor mir liegen (März 1913) wichtige Zeichenserien von drei geisteskranken Verbrechern aus der Waldheimer Irrenanstalt, die ich der Güte des Herrn Oberarztes Dr. Ranniger daselbst verdanke. Alle drei Patienten leiden an Dem. paran. 1. Patient, 1870 geboren, seit 1902 in Waldheim. Zeichnet hübsch, mit leidlicher Perspektive, oft überladen. Es hegen mehrere Briefe von ihm mit Umschlägen vor. Der eine ist adressiert “An Seine Heiligkeit die Russische Kirche in Karolsbad (Böhmen), pr. Adr. Portier Weisbach, Schneidermeister, Russische Kirche, Soterrain, Parkstraße”. Darüber in der linken Ecke ist steif bunt gemalt ein kleiner König mit Krone und Zepter, links davon ein Feuer. Die Umschrift lautet: “Mit Gott ist dieses Kind der Germania von . . . (?)”. Darunter steht : Chotanowitt-Ssheroffna. Der dazugehörige Briefbogen in Rosa enthält ganz verworrene Sätze. Ein anderes Kuvert enthält einen grünen beschriebenen Briefbogen mit Bildern. Darunter eine große bunte Aquarellandschaft mit Bäumen, Häusern, Menschen, Tieren, ohne Proportionen, aber mit leidlicher Perspektive. Auf der letzten Seite unten eine Kirche mit Kirchhof (?). Auf einem dritten Bogen endlich ein buntgemaltes, nicht übles Ornament. Ähnlich sieht es auf den anderen Bögen aus. Die Menschen sind ganz gut gezeichnet. — 2. Ein ganzes Zeichenheft liegt von G. vor, seit 1889 in der Anstalt. Innen auf dem Deckel Ornamente und Fragmente scheinbar von technischen Zeichnungen. Auf dem ersten Blatte zeigt sich eine runde und eine viereckige Figur mit einem farbigen Strahle. Ist es Ornament oder bloße Spielerei ? Oder Symbolik ? Dann erscheint ein Blatt mit kleinen Schiachtenszehen, nur meist angedeutet, Soldaten en face, ohne Proportion, dazwischen Kugeln, of fenbar von Kanonen. Dann ein Blatt mit symmetrischen Ornamenten (?), einigen Beischriften, ein stilisierter großer Vogel. Dann auf einem anderen Blatte viele Porträts, Bizarres und Wiederholtes. Ein Blatt zeigt eine große, disproportionierte Ziege. Die Beischriften weisen wahrscheinlich auf Symbole hin. Auf einem Blatte sieht man ziemlich groß und ganz ohne Verhältnis einen nackten Körper. Kopf im Profil, das Gesicht nach links. Im Kopfe sind oben die Nähte und Knochen eingezeichnet. Brust und Bauch en face, mit Magen, Därmen usw. darin. Die Arme sind ganz kleine plumpe Anhängsel, Beine en profil, halb gebogen, behaart ; darüber die Blase und drei große Penes mit Hoden (einen zwischen den Beinen, die anderen je einer rechts und links an den Hüften). Ähnliches sieht man auf einem anderen Blatte, wo ein nackter Mann mit riesigem Phallus durchsichtig erscheint, mit einem ganz winzigen Arme, der andere dagegen sehr groß, schlauc #x00F6;rmig, wie tätowiert, während an dem rechten mehrere eingemalte Hände sind. Ein weiteres Blatt zeigt ganz verzeichnet sitzende und stehende Gestalten, aber ziemlich richtig im Profil gezeichnet, teilweise wieder mit Einzeichnungen. Andere durchsichtige Körper zeigen inmitten des Knies (en profil) die Kniescheibe in der Mitte ruhend. Man sieht ferner nackende Männer im Stehen. Ein Blatt enthält einen großen Hirsch mit merkwürdigem Geweih, ein anderes eine Art von Trampeltier, ein weiteres endlich ein Tier mit 2 Höckern, 6 Beinen und allerlei Einzeichnungen. Man sieht also hier die wilde Phantastik, das Bizarre, das falsche Profilzeichnen, auch Durchsichtigkeiten, Symbole, vielleicht auch Obszönitäten. Hier dürfte wohl sicher der geistige Zerfall schon weit fortgeschritten sein. — 3. Am künstlerischsten sind die großen Blätter (lose) von St., seit 1910 in der Anstalt, 1852geboren, gewerblicher Arbeiter, vielfach bestraft, Rückfall-diebstahl. Saß fast 28 Jahre im Gefängnis. Auf dem ersten Blatte (mit Bleistift) stehen um ein Postament herum 2 Esel mit Krallen an den Füßen (mit Hut und Helm) an den Seiten im Profil, ein Schaf mit Menschenbeinen in der Mitte en face. Darüber ein dreiköpfiger Adler. Darunter steht geschrieben: Denkmal der deutschen Einigkeit für alle Zeiten. — b) Ein schöner ornamentierter Springbrunnen. Am Rande unten heißt es: “Der ewig fließende Brunnen der ausübenden Ungerechtigkeit. ” — c) Menge von Fratzengesichtern. — d) Blatt mit Szenen, wo ein Gefangener geprügelt wird usw., immer mit satirischer Beischrift. — Dann Ornamente. — Weiter eine Satire auf das deutsche Recht. Ein Blatt zeigt nämlich drei nackte Männer um ein niederes Postament, welche Keulen tragen. Auf dem Postamente ist eine Fratze mit dreizipfeliger Mütze und gespaltener Zunge. Unten ist zu lesen: “An der Spitze die Weisheit des deutschen Reiches mit gespaltener Zunge.” Ein Blatt zeigt (Bleistift) sehr schön ein auf einem Felsen sitzendes nacktes Weib, umgeben von einer Girlande von Weinreben mit Trauben. Sie drückt eine Traube in einen Napf aus, woraus eine Schlange trinkt. Darüber steht: “Vivat, floreat, crescat Medizin”. — Weiter eine nackte Schwangere, eine prachtvolle nackte Justitia mit Wage und Schwert usw. Keiner würde in diesen Zeichnungen einen Irren vermuten, wohl aber einen Sozialisten. — Vor kurzem sah ich in einem Arbeitssaale der Waldheimer Irrenanstalt einen Fries oben an den Wänden mit sehr originell komponierten und nicht übel gemalten Fresken, dargestellt von einem Irren (Dem. paran.). Auch hier wäre niemand auf einen Irren als Maler gekommen. Dagegen ward vor vielen Jahren die Wand des Kegelschubs im alten Zschadraß von einem geisteskranken Maurer (Dem. paran.) mit phantastischen Landschaften bedeckt. Hier standen neben dem feuerspeienden Vesuv und Pinien Eisberge, Eisenbahnen liefen zwischen die Berge usw. Kurz es waren Ausgeburten einer tollen Psyche.

Literaturverzeichnis

  1. Neu ist mir, daß manche das Zeichnen als Schuldisziplin hoch einschatzen. So lese ich z. B. soeben in der “Umschau” 1913, Nr. 18 (Vogtl, Zuchtung der MittelmaSigkeit) folgenden Satz: “Das Zeichnen sollte nicht nur sofort in die Berechnung (sc. Zensur) einbezogen, sondern auch auf dem Zeugnis anstatt an letzter Stelle etwa hinter die Mathematik gesetzt werden und für die Frage der Reife des Schiilers zur Versetzung und Entlassung geradezu als ein Hauptfach in Betracht kommen.” Ich glaube, das gent denn doch zu weit. Hier kommt doch sehr viel auf die Handfertigkeit an.

  2. So sehreibt er z. B. S. 174 zu Fig. 17 a, daß unvermittelt über das Dach eines Hauses noch ein Dachwerk rage, in einer anderen Figur (17b, S. 175)wachse ein Baum auf einem Dache, während ich mit anderen in der ersten Figur zwei Gebäude sehe, die schräg von oben gesehen sind, und in der zweiten Figur den Baum nicht auf dem Hause wachsen sehe, sondern zwischen zwei Häusern.

Literaturverzeichnis

  1. Auch in der mykenischen und altägyptischen Kunst usw. ist das Sichtbargestalten unsichtbarer Dinge sehr selten, im Gegensatz zu den Angaben von Kürbitz (S. 178). Ich habe mich speziell auch mit den Anfängen der Kunst beschäftigt. — Vierkandt (Das Zeichnen der Naturvölker. Zeitschr. f. angew. Psychol. 1912; Ref. diese Zeitschr.6, 1913, 989) unterscheidet bezüglich der Art des Zeichnens überhaupt 3 Stufen, die zugleich Entwicklungsstufen darstellen: 1. das andeutende Zeichnen, was sich von selbst definiert; 2. das beschreibende, bei dem Teile, von denen das Individuum weiß, einfach nebeneinandergestellt sind; 3. das anschauungsmäßige, das eine Einheit des Anschauens bezweckt, die höchste Stufe. Sie ist am seltensten bei Wilden (Buschmännern, Eskimos, den prähistorischen Zeichnungen), der Typ 1 und 2 dagegen überall. Alle drei Typen finden sich, sage ich, auch bei den Irren und zwar je nach der Bildung und Geschicklichkeit im Zeichnen. Nach Vierkandt sollen die Naturvölker nur aus der Erinnerung, nicht nach dem Modell zeichnen, was ich nicht recht glaube. Dazu sind z. B. die prähistorischen Tierbilder in den Höhlen der Dordogne oder eingeritzt auf Knochen und Geweihstücken denn doch wohl zu realistisch und detailliert. Kürzlich fand man in einer Höhle des Dep. Ariège (Die Umschau 1913, Nr. 20) aus Ton mehrere Wisentfiguren so schön und wahr modelliert, daß es wohl nur nach der Natur geschehen konnte, meine ich. Ich kenne Porträts von Irren (Dem. paran.), die nach dem Modell aufgenommen wurden, was sonst allerdings meist nur von Künstlern und Kunstgewerblern geschieht. Vierkandt bezeichnet als Hauptmotiv des Zeichnens bei den Naturvölkern den “Spieltrieb”, das wohl auch, glaube ich, bei dem “Nutzzeichnen” (zur Verzierung, als rituelles Zeichnen usw.) eine große Rolle spielt. Merkwürdig ist es, daß bei Geisteskranken Tätowieren und Bemalen des Körpers, wenigstens in den Anstalten, wohl kaum vorkommt. Ich selbst wenigstens kenne kein Beispiel davon. Draußen, und besonders in den Gefängnissen, Bordellen, lassen sich bekanntlich gern Schwachsinnige, Epileptiker, Psychopathen aller Art, auch Angehörige der Dementia-praecox-Gruppe, tätowieren. Daran ist aber hauptsächlich das Milieu schuld (unsere Seeleute!), ebenso Nachahmung und Suggestion. Dabei hat der Atavismus nichts zu schaffen. Ebensowenig in den höheren Ständen, wo das Tätowieren oder Armbändertragen der Männer usw. von Zeit zu Zeit Mode wird. Nach Schwarzschild (Begriff und Erscheinung in der Malerei. Die Umschau 1912, Nr. 52) sucht der naive Mensch, der Wilde und das Kind nicht die Erscheinung, sondern den Begriff darzustellen, den er von einem Gegenstände hat. Häufig zeichnen nach ihm Kinder neben dem Profil das andere unsichtbare Auge und Ohr, was ich selbst jedoch nie beobachtete, auch nicht bei Irren. Daß die Nase en face besondere Schwierigkeiten bereitet, ist klar, und so finden sich nach Schwarzschild bei Kindern die merkwürdigsten Formen, auch ist sie öfters dann en profil gezeichnet, weil leichter. Das muß ich bestätigen, ebenso daß bei den Kindern in den Zeichnungen die Stirn fehlt, weil sie, meint Schwarzschild, noch keinen Begriff vom Gehirn haben, so daß dann das Auge zu hoch steht. Das Gleiche geschieht oft bei den Tieren. Ich sehe dafür den Hauptgrund darin, daß es offenbar so leichter zu zeichnen ist. Das Auge ist ferner schwer darzustellen und wird daher meist von Kindern, oft genug auch bei Tieren — ebenso bei den alten Ägyptern — von vorn gezeichnet, wenn das Gesicht im Profil steht. Interessant ist ein Artikel von Kretzschmar über Kinderkunst (Reclams Universum 1912, S. 366). Die Kinderzeichnungen haben nach ihm technische und logische Fehler, bis etwa zum 12. Jahre. Die Füße stehen nach außen von den Beinen. Oft ist der “Röntgentypus” da, d. h. die inneren Organe sind im nackten Körper vorgezeichnet. Das fand ich selbst nur selten, wie schon oben gesagt. Nach Kretzschmar geht alle Kunst von der Plastik aus, da es wohl Völker ohne Malerei, aber nie ohne Plastik gibt. Van Gennep (Dessins d'enfants etc.; Ref. in Revue de Psych. 1912, S. 517) konstatierte bei seinem 5jährigen Mädchen eine merkwürdige Neigung, verkehrt zu zeichnen und ununterbrochen (tendance au renversement dans la production des traits complexes et la difficulté á interrompre et reprendre le trait). Letzteres auch bei den prähistorischen Zeichnungen (gewiß nur selten. Näcke). Das Charakteristische an diesem Kinde war aber die große Schwierigkeit, einfache geometrische Figuren und Buchstaben zu zeichnen und daneben die Leichtigkeit, konkrete Dinge wiederzugeben. Das spräche für die Theorie Münsterbergs, daß die Kunst erst realistisch ist, die Stilisierung erst später komme. Das Benehmen dieses Kindes ist aber sicher ganz abnorm. Auch malt wohl jedes Kind leichter einfache geometrische Figuren und Buchstaben als konkrete Dinge. Viel richtiger scheint mir jedoch die Ansicht Suquets (Le premier âge du dessin enfantin. Arch, de Psych. 1911; réf. in Neurol. Zentralbl. 1913, S. 105), daß das Kind anfangs nur Linien zieht, ohne jede Absicht der Darstellung eines Gegenstandes, bloß aus Bewegungstrieb, Nachahmung, Spielerei. Mit Absicht geschieht es erst später, wenn es merkt, was es bedeuten kann, indem es in dem inhaltlosen Gekritzel hie und da Ähnlichkeiten mit Dingen findet und durch Zufügen diese noch vergrößert. Sobald das Kind mit Absicht etwas darstellt, beginnt die zweite Periode der kindlichen Kunst. Ähnlich stellt es auch Bechterew dar (Über die Entwicklung der kindlichen Zeichnung usw. [russisch]; ref. in Neurol. Zentralbl. 1913, S. 106). Nach ihm sind die Zeichnungen der Irren im Stadium des Zerfalls Rückschlag ins Primitive, was ich aber sehr anzweifle. Morselli (1. c, S. 556) sieht einen Atavismus besonders in der Vergeistigung der Umgebung (Spiritualizzazione dell’ ambiente fisico verso un atavico animismo), indem sie die dargestellten Menschen und Szenen so wiedergeben, als ob sie diese gleichen Gefühle und Gedanken hätten wie sie selbst. Das ist aber gewiß nur in gewissen Fällen wahr, darf also nicht verallgemeinert werden.

Literaturverzeichnis

  1. Ob wirklich alle einfachen geometrischen Ornamente Nachahmungen wirklicher Gegenstände bedeuten, wie manche glauben, ist mir doch etwas fraglich. Komplizierte freilich, wie die schönen Ornamente der Malaien, Südseeinsulaner, Indianer usw. gehen nachgewiesenermaßen auf Vorbilder zurück. Kinder zeichnen sicher einfache Ornamente (auch Wilde), ohne solche, bloß aus Spieltrieb und rhythmischem Gefühl. Ob der berühmte Mäander wirklich eine Welle darstellen soll, ist immer noch fraglich. Ein berühmter Autor wollte darin die Umgrenzung des gebogenen Handgelenkes und der Hand sehen. Denkbar ist es jedoch, daß es ohne jedes Vorbild geschah. Der Sinn der Swastica endlich ist uns gänzlich unbekannt, obgleich unendlich viel darüber (auch von Schliemann in seinem Trojawerke) geschrieben wurde. Am öftesten sah man darin das Sonnenrad; v. Luschan erblickt Roß und Reiter, ich seinerzeit (Die angeblichen sexuellen Wurzeln der Religion. Zeitschr. f. Religionspsychol. 1908) ein phallisches Zeichen möglicherweise. Bei den meisten Buchstaben dagegen kennen wir die bildliche Genese ziemlich genau. So bei unserem Alphabet, dem Hebräischen, Hieroglyphischen (dessen weitere Schematisierung in der hieratischen und demotischen Kurrentschrift sehr instruktiv ist), in der Keilschrift usw. Merkwürdig, zwar verblüffend richtig, aber wohl kaum zu Recht bestehend war die Hypothese eines Amerikaners, der unser Alphabet aus den Umrissen der bei jedem einzelnen Buchstaben entstehenden Umgrenzungslinien des Gaumens, Rachens und der Zähne (im Längsschnitt) erklären wollte. Solche Physiologen und Beobachter waren die Primitiven doch nicht! Wichtig ist, daß, wo Vorbilder nachgeahmt sind, diese immer zuerst auf Tiere zurückgehen, erst später auf Pflanzen, die dem Menschen ferner stehen als jene.

Literaturverzeichnis

  1. Vor Jahren hatte ich auf der Station einen älteren chronisch Verrückten (Dem. paran.), der auf der Innenfläche eines Streichholzkästchens eine nackte Frau gezeichnet und diese im Laufe der Jahre durch Aufmalen mit Wasserfarben, die er sich selbst bereitete,' so erhöht hatte, daß allmählich eine Art Hochrelief entstanden war, eine nackte Frau mit prallen Brüsten und schwangerem Leib. Dieser Patient schrieb auch viel und zwar ganz Unverständliches. Er illustrierte zum Teil die Schrift. Darunter ist mir eine hochschwangere Frau im Profil noch erinnerlich. An deren Brüsten hatte er angeschrieben: Glaube, an den Leib: Hoffnung, an die Genitalien: Liebe. Dabei war der Mann sonst absolut nicht zynisch und zotig. Man sieht also auch hier wieder, wie vorsichtig man bei Beurteilung solcher Zeichnungen sein sollte.

Literaturverzeichnis

  1. Wir hatten in Hubertusburg einen mutazistischen Katatoniker, der mit Vorliebe, wenn die Pflegerkapelle spielte, sich hinstellte und mit einem Stocke usw. quasi dirigierend, richtig dazu den Takt schlug, ohne nur ein Wort oder Ton zu äußern, und das machte ihm offenbar viel Spaß, wie seine Mimik bewies.

  2. Näcke, En Beitrag zur gegenseitigen Beeinflussung der Geisteskranken. (Fall von “musikalischer Infektion”.) Neurol. Centralbl. 1901, Nr. 14.

  3. André Repond, Über Störungen der musikalischen Reproduktion bei der Schizophrenie. Allgem. Zeitschr. f. Psych.70, H. 2. 1913.

    Google Scholar 

Literaturverzeichnis

  1. In Hubertusburg hatten wir einen ungenehmen, an Dem. paran. leidenden Kaufmann, der täglich gar nicht übel spielte, vor allem aber komponierte. Seine Kompositionen klangen nicht schlecht, doch fanden sie andere abstrus und geschraubt. Er war sehr stolz auf sein Können und hielt sich für einen großen Künstler und Komponisten.

Literaturverzeichnis

  1. Barr (The Alienist and Neurologist 1913, p. 13) erwähnt eine Kranke, die in der Anstalt eine Novelle schrieb und sie später veröffentlichte, womit sie viel Anklang fand.

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Näcke, P. Einige bemerkungen bez. der zeichnungen und anderer künstlerischer äu⨿erungen von geisteskranken. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 17, 453–473 (1913). https://doi.org/10.1007/BF02897604

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