Zusammenfassung
Die für das Liquoreiweiß der Nervenlues und der multiplen Sklerose charakteristischen, aus der Literatur bekannten Liquorsymptome, kann man in folgendes Syndrom zusammenfassen: 1. linksseitige Kolloidkuryen, 2. meistens positiveWeichbrodtache Reaktion, deren Stärke ungefähr der Eiweißmenge entspricht, 3. Eiweißquotient erhöht oder jedenfalls nicht zu niedrig, 4. Kolloidgesamteiweißdissoziation. Das letzte Symptom tritt in ausgeprägter Form selten auf, in abgeschwächter Form dagegen ist sehr oft zu beobachten. Dieses Syndrom —das von uns dasGlobulinsyndrom benannt wurde, weil bei seiner Entstehung hauptsächlich die Globulinfraktion der Liquoreiweißkörper eine Rolle zu spielen scheint —wurde bei Durchsicht unseres Liquormaterials, aus welchem die Nervenlues und die luesverdächtigen Fälle ausgeschlossen wurden, unter 1254 Liquores 29mal in Fällen von multipler Sklerose und außerdem nur in 7 Fällen (d.h. in 0,57% unseres Materials) anderer neurologischer Erkrankungen festgestellt. Ebenso wurden Globulinsyndrome, bei welchen nicht alle Reaktionen, sondern nur deren Mehrzahl einen atypischen Ausfall zeigte, wobei jedoch der Globulincharakter des Syndroms deutlich erhalten blieb —bei der multiplen Sklerose 26mal, bei anderen Nervenkrankheiten und Psychosen nur 10 mal (das ist in 0,83% des ganzen Liquormaterials bei Ausschluß der Lues) beobachtet. Auf Grund dieser Zahlen muß das typische und das leicht atypische Globulinsyndrom als überaus charakteristisch für die Nervenlues und die multiple Sklerose angesehen werden, da es bei anderen Nervenkrankheiten nur ausnahmsweise vorkommt, im Gegensatz zu den einzelnen in dem Syndrom vereinigten Liquorsymptomen, die teils ziemlich oft, teils nicht allzuselten (mit Ausnahme ausgeprägter Kolloidgesamteiweißdissoziation) bei diesen anderen Affektionen anzutreffen sind. Die Feststellung dieses Syndroms macht also eine Nervenlues (von spezifischen Reaktionen wird hier selbstverständlich abgesehen) oder eine multiple Sklerose in hohem Grade wahrscheinlich; sein NichtVorhandensein jedoch hat eine geringere diagnostische Bedeutung, da nicht selten Fälle von multipler Sklerose und zuweilen auch Fälle von Nervenlues vorkommen, in denen das Syndrom nicht auftritt. Trotz dieser Einschränkung erleichtert die Feststellung, ob das Liquoreiweiß eines jeden untersuchten Falles charakteristische Merkmale des Globulinsyndroms aufweist, in hohem Maße die Liquordiagnostik.
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Gruszecka, A. Das Syndrom der Eiweißreaktionen in der Liquordiagnostik. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 153, 447–455 (1935). https://doi.org/10.1007/BF02865760
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