Zusammenfassung
Sehen wir ab von den chromatolytischen Befunden namentlich im Hirnstamm, deren pathologischer Charakter vorläufig zweifelhaft bleibt (S. 510), so läßt sich zusammenfassend folgendes sagen: Der Hirnbefund bei zwei im jugendlichen Alter gestorbenen Fällen von Thyreoaplasie kennzeichnet sich einmal durcharchitektonische Störungen in derGroßhirnrinde und imKleinhirn (Zellarmut der 2. und 3. Schicht in ausgedehnten Areae namentlich des Stirn- und Scheitellappens, Verlagerung ziemlich zahlreicher Purkinjezellen in die Molekularschicht oft verbunden mit Formatypie, erheblich Vermehrung der Golgizellen im Kleinhirnmark). Diese Störungen sind Ausdruck von Entwicklungshemmung; nur für die Verlagerung der Purkinjezellen bedarf diese Auffassung noch der Sicherung, da die normalen Entwicklungsvorgänge hier zum Teil noch zweifelhaft sind. Weitere Veränderungen, für welche ein Zusammenhang mit dem Schilddrüsenausfall teils möglich, teils wahrscheinlich ist, sind als Folgen gestörten Gewebsstoffwechsels, manche davon wohl als Erscheinungen vorzeitiger Involution zu deuten: Ödem der Großhirnrinde mit ödematöser Ganglienzellveränderung namentlich wieder der oberen Schichten, uncharakteristische chronische Zellveränderungen oder fettige Degeneration der Ganglienzellen in den tieferen Schichten, ausgedehnte Kalkniederschläge im Pallidum, Pseudokalkniederschläge im Dentatum. Mit seiner Kombination von Entwicklungshemmungen, Stoffwechselstörungen und (wahrscheinlich auch) vorzeitigen Involutionen fügt sich der Hirnbefund bei Thyreoaplasie in das übrige pathologisch-ana-tomische Bild des Schilddrüsenausfalles ein (Wegelin). Zwei auf die Großhirnrinde sich beschränkende Befunde der Literatur stellen für die Pathogenese ab einerseits auf „toxische“ Schädigung (Muratow), andererseits auf „Dysgenesie“ (Bourneville-Philippe). Zu Unterschieden in der allgemeinenSchwere der Veränderungen kommenindividuelle Momente, welche die Verteilung der Entwicklungsstörungen auf die einzelnen Abschnitte des Zentralnervensystems verschieden gestalten können.
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Lotmar, F. Histopathologische Befunde in Gehirnen von kongenitalem Myxödem (Thyreoaplasie). Z. f. d. g. Neur. u. Psych 119, 491–513 (1929). https://doi.org/10.1007/BF02863820
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