Skip to main content
Log in

Weitere Zusätze über Glaucom und die Heilwirkung der Iridectomie

  • Published:
Archiv für Ophthalmologie Aims and scope Submit manuscript

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literatur

  1. Ich habe bereits früher erwähnt, dass die Verabreichung grosser Opiate hier die förderlichste Methode constituirt; neuerdings habe ich in den hypodermatischen Einspritzungen von Morphium (gr. 1/8–1/3) in die Temporal- und Supraorbitalgegend ein vortreffliches Mittel gegen die, Augenentzündungen begleitende Ciliarneurose kennen gelernt, und rathe hiervon auch bei akutem Glaucom Gebrauch zu machen.

  2. So entsinne ich mich eines Patienten aus Odessa, bei welchem sich die glaucomatischen Anfälle nicht bloss durch die vehementesten halbseitigen, bis zum Hinterhaupt reichenden Kopfschmerzen ankündigten, sondern eine mehrtägige Hyperemesis selbst bis zum blutigen Erbrechen hervorriefen. Da diese letzteren Symptome vorwaltend frappirten, während die glaucomatösen Zeichen inclusive der Sehstörung nicht eben grob hervortraten, so war die Krankheit von zwei medizinischen Autoritäten völlig verkannt und mit allerlei die Unterleibsorgane betreffenden Rathschlägen angegriffen worden, bis später die Iridectomie alle Symptome zum Schweigen Brachte.

  3. Möglicherweise liegt auch ein Mittelglied der Erklärung in einer zu geringen Propulsivkraft des Herzens oder materiellen Veränderungen in den Gefässwandungen, durch welche Umstände sich ein leichteres Zustandekommen des (die Netzhautfunktion beeinträchtigenden) Arterienpulses resp. völliger Cessation des Bluteintrittes in die Netzhaut motiviren liesse.

  4. Es ist keineswegs immer leicht, sich bei Glaucomatösen von der Anwesenheit resp. Abwesenheit eines Lichtscheinrestes zu überzeugen. Namentlich gilt dies, wenn dieser Rest in einem minimalen und stark excentrischen Gesichtsfeld residirt. Eine sonderbare Thatsache habe ich sogar in dieser Beziehung zu erwähnen. Mehrfach stellten sich Patienten vor, welche das Hell und Dunkel einer gut brennenden Lampe, selbst äusserst angenähert, nicht unterscheiden konnten und doch versicherten, gewisse Gegenstände in der Entfernung, allerdings nur transitorisch, wahrzunehmen. Ich hielt die Angaben für Illusionen, wie sie so häufig bei Blinden vorkommen, bis mich einige Aeusserungen solches patienten in der That stutzig machten. Bei diesem gelang es, wenn man ihn mit dem Rücken gegen das Licht stelte, ein minimales, nach aussen excentrisches Gesichtsfeld nachzuweisen, welches in 12′ Abstand vielleicht 6–8″ im Durchmesser messen mochte. Innerhalb desselben sah Patient mit grösster Sicherheit die Bewegung einer Hand und unterschied, ob ein oder mehrere Finger ausgestreckt wurden. Ich nahm nun wieder den Versuch auf quantitative Lichtempfindung mit der Lampe auf—wieder war das Resultat negativ. Jetzt hielt ich dicht vor die Lampe eine matte, das Licht gut diffundirende Glasscheibe und näherte den Patienten soweit an, dass fast das ganze Netzhautfeld, jedenfalls aber der vorher bestimmte, noch functionsfähige Abschnitt durch das Zerstreuungsbild der Glasscheibe beleuchtet wurde. Die periodische Abschattung gab wieder ein negatives Resultat, desgleichen die Untersuchung bei intensivem Tageslichte, wenn man den Patienten dicht an's Fenster stellte und gegen den Himmel schauen liess. Nur den Rücken gegen das Licht gewendet und den Gegenstand in das kleine Gesichtsfeld gebracht, konnten positive Angaben erzielt werden. Dieselbe Beobachtung habe ich seitdem bei 4 oder 5 Glaucomatösen gemacht. Deren Erklärung ist mir noch problematisch. Offenbar liegt sie nicht allein in den Dimensionen des Gesichtsfeldes, da dasselbe, mochte es noch so klein sein, sowohl bei der Probe am Fenster, als bei Lampenlicht, (mit vorgehaltener Diffusionsscheibe) stark beleuchtet ward. Vielleicht ist unter solchen pathologischen Verhältnissen ein gewisser Grad von Blendung für die Leitung vollends aufhebend, doch konnte ich dies neulich bei einer Patientin, welcher ich nach der ersten Untersuchung jede quantitative Lichtempfindung absprach und welche ebenfalls in diese Kategorie gehörte, nicht nachweisen, als ich durch dunkelblaue und auch anders gefärbte Gläser Versuche anstellte.

  5. Es ist dies die häufigste Form nach Iridectomien, die bei akutem Glaucom verrichtet werden.

  6. Am Raschesten verschwanden die Unterlaufungen an der äusseren Netzhautfläche und die hellrothen Flecke jenseits der Gefässe, am Langsamsten die dunkelrothen Plaques zwischen Netzhaut und Hyaloidea. Während jene Unterlaufungen durch ein gleichmässiges Hellwerden zurücktraten und jene Flecken durch eine Art Zersetzung in kleine Punkte und Punktgruppen sich lichteten, gingen diese Plaques durch eine sehr langsame concentrische Verkleinerung zurück, wobei das Residuum seinen dunklen undurchsichtigen Habitus behielt, und nur immer der peripherisch verschwindende Saum eine lichtere Färbung annahm. Ich habe diese Verschiedenheiten in der Rückbildung übrigens mehrfach unter ähnlichen Verhältnissen constatirt, besonders wenn zu präexistirendem chronischen Glaucom mit beginnenden scleralstaphylomen noch heftige entzündliche Schübe hinzugetreten waren. Alsdann nehmen die Ecchymosirungen einen tumultuarischen Charakter an und dehnen sich selbst auf den Tractus der Aderhaut aus.

  7. Ein hierher gehöriger, auch nach anderen Beziehungen instructiver Ausnahmsfall (fulminirenden Glaukoms) ist neuerdings von Pagenstecher und Saemisch (Klinische Beobachtungen aus der Augenheilanstalt zu Wiesbaden, erstes Heft pag. 31–34) mitgetheilt worden.

  8. Ich spreche hier natürlich nur von einfachem Glaucom; in Fällen, wo glaucomatöse Druckzunahme sich in Folge cirkulärer oder gar totaler hinterer Synechie ausgebildet batte, kommt eine der Operation consecutive Cataractbildung in weit grösserer Proportion vor.

  9. Ueber die Triftigkeit dieser Regel bei Glaucom, welche ich gleich in meiner ersten Publikation über den Gegenstand (Note sur la guérison du Glaucome adressée l'institut de France) und dann in diesem Archiv (Bd. III. 2, pag. 548–549) der gewöhnlichen Iridectomie gegenüber aufgestellt, haben sich die Fachgenossen jetzt wohl geeinigt, und ist dieselbe neuerdings mit Recht von Arlt wieder urgirt worden. Freilich muss ich einräumen, dass ich auch etliche in der ersten Periode akuten Glaucoms Operirte kenne, bei denen die Excision nicht in der vorgeschriebenen Weise vollführt und demnach ein bleibender Effekt eingetreten ist. Da jedoch in anderen Fällen, namentlich älteren Glaucoms der Effekt unter gleichen Umständen ungenügend war und die Nothwendigkeit einer zweiten Iridectomie auftrat, so ist hierdurch gewiss die Regel als solche befestigt und auf dieselbe, namentlich für chronisches Glaucom und für die späteren Studien des akuten ein grosses Gewicht zu legen.

  10. Die Hyperämien nach dem plötzlichen Sinken des Druckes fallen gewiss bei Glaucom sehr in Betracht. Es sind weniger die stärkeren Blutergüsse in die vordere Kammer als die ausgedehnten Netzhautecchymosen, welche Befürchtung erregen. Letztere sah ich besonders auffallend in den akuten Fällen, wo das Kammerwasser sehr tumultuarisch abfloss.

  11. Bei nur einiger Aufmerksamkeit kann die geschilderte Form der Vernarbung nicht mit derjenigen verwechselt werden, welche einem unvollkommenen Abscheiden der Iris, wie es von mir widerrathen, von anderen dagegen empfohlen ward, folgt. Hier handelt es sich nicht um eine blasige Zwischensubstanz, sondern um einen kleinen Irisvorfall, der freilich ebenfalls oft durch Narbenstränge abgetheilt sein kann, auch sickert der humor aqueus niemals so lange ab, da mit der Wucherung des in den Wundkanal eingeklemmten Irisgewebes ein Abschluss entsteht.

  12. Auch den im dritten Bande dieses Archivs Abth. 2 pag. 447 von mir mitgetheilten Fall “sympathischer Amaurose” würde ich jetzt anders deuten. In demselben war das eine erblindete und ectasirte Auge noch immer von acuter Chorioiditis befallen, das andere war durch eine allmählig um sich greifende Sehnervenexcavation unter periodischen Obscurationen der Erblindung nahe geführt. Da nun die Exstirpation des ersteren Auges einen unleugbaren, günstigen Effekt auf das Gesichtsfeld des zweiten Auges übte, so schloss ich damals, dass die Affection des zweiten Auges überhaupt auf sympathischem Wege inducirt sei. Jetzt würde ich annehmen, dass die Sehnervenexcavation (d. h. chronisches Glaucom) sich durch Druckzunahme auf dem zweiten Auge entwickelt und dass die Entzündungen auf dem ectasirten Auge nur die Gelegenheitsursache für eine Verschlimmerung des Zustandes abgegeben. Diese Verschlimmerung wurde durch die Exstirpation gehoben, das ursprüngliche Uebel aber, nämlich chronisches Glaucom blieb zurück, wie mich denn auch die Prallheit des Bulbus später zu einer Iridectomie auf diesem Auge einlud.

  13. Existirt in dieser Beziehung ein Verdacht, so müssen die Patienten zu den für die Ermittelung relativ günstigsten Zeiten untersucht werden. Während viele entzündliche Zeichen, namentlich die meisten tieferen Injectionen kurz nach dem Schlaf am deutlichsten hervortreten, stellt sich für die glaucomatösen Kennzeichen im Allgemeinen ein umgekehrtes Gesetz heraus; sie werden desto deutlicher je länger Patient wacht, namentlich wenn er seine gewöhnliche Schlafstunde überschreitet.

  14. Letzterer Zusatz ist desshalb für die Begriffsbestimmung nothwendig, weil auch bei anderen Processen, z. B. gewöhnlicher secretorischer Iritis oder Iridocyclitis eine nachweisbare Spannungsvermebrung stattfinden kann. Wir schliessen diese Processe aber von der glaucomatösen Krankheitsgruppe so lange aus, als der Sehnerv und die Netzhautfunctionen nicht in der eigenthümlichen Weise leiden. Ueber die Verwandtschaften der genannten Processe mit dem Glaucom und deren Uebergangsfähigkeit zu demselben (sofern nämlich der Anfangs intacte Sehnerv später zu leiden anfäugt) habe ich mich schon früher ausgesprochen. Will man das Glaucom in seinem ersten entzündlichen Stadium, desshalb noch nicht Glaucom nenneu, weil sich das Leiden des Sehnerven noch nicht materiell ausspricht, so würde dies nur einen praktischen Uebelstand haben. Die Erfahrung hat zur Genüge bewiesen, dass das Bild jener Iridochorioiditis, die sofort mit Abflachung der vorderen Kammer und Iridoplegie auftritt, constant zur Excavation des Sehnerven führt. Auch ist ja das Missverhältniss zwischen den Netzhautfunctionen und den optischen Hindernissen hier der sichere Vorbote des späteren Ausganges. Es wäre übrigens gleichgültig, wenn man die Krankheit so lange glaucomatöse Chorioiditis nennen wollte, als sich die Druckwirkung durch das Aussehen der Papille nicht nachweisen lässt. Ist doch vollends der Termin hierfür wegen Trübung der brechenden Medien nicht genau zu bestimmen. Nur muss man sich alsdann bewusst sein, dass bei fulminirendem Verlauf der Ausgang in völlige und unheilbare Erblindung noch vor dem betreffenden Nachweise stattfinden kann.

  15. Wohl zu unterscheiden ist der mir einigemal begegnete Fall, dass zu einer präexistirenden cataract ein glaucomatöser Process hinzutritt, (cataracta complicata cum glaucomate) dann ist natürlich entsprechend dem mehr oder weniger frischen Hinzutreten dieses Letzteren noch Lichtschein vorhanden. Es darf ferner, wenn man die Cataract in die Symptome der glaucomatösen Degeneration einrechnet, nur von einer vollständigen, mit Blähung der Corticalis verbundenen Linsentrübung die Rede sein. Unvollkommene Trübungen, besonders an der Kerngrenze finden sich nicht selten bei chronischem Glaucom und noch partieller Erhaltung der Sehkraft vor. Dieselben markiren sich gewöhnlich unendlich mehr bei auffallendem als bei durchfallendem Licht und wird deren Einfluss auf die Sehkraft, der nothwendig ein sehr geringer ist, von weniger sachkundigen Aertzten sehr überschätzt.

  16. Ich erkläre mir diese Differenz mit meinen früheren Beobachtungen theils durch einige Unterschätzung der Tiefe in jenen, theils dadurch, dass dort in der Regel ausgedehntere Aderhautatrophie zugegen war.

  17. Interessant war mir in diesem Fall das Auftreten sehr massenhafter Veränderungen in der Pigmentlage der Aderhaut während des ersten Jahresnach der Operation, von denen früher nicht das Mindeste zu entdecken gewesen war. Eine ähnliche Beobachtung habe ich noch in einem anderen Falle gemacht. Sind wir nicht, da sich nicht die mindeste Verschlechterung an diese Erscheinungen knüpfte, im Gegentheil die Besserung continuirlich vor sich ging, zu der Annahme berechtigt, dass ein Process in der aderhaut schon früher existirte, der den Untersuchungsmitteln entging, aber nach der Druckverminderung in eine andere für die Diagnose zugängigere Phase eintrat? Ich glaube für diese Vermuthung noch mehrere Gründe zu haben, welche ich besonders dem Verhalten der functionellen und materiellen Störungen bei Aderhautprocessen entnehme und gelegentlich mittheilen werde.

  18. Mag auch eine fortgesetzte Erfahrung das Vorkommen dieser Form relativ nicht so häufig in der ersten Lebenshälfte nachweisen, so gehört sie, abgesehen von den glaucomatösen Krankheiten, die der Staphylom-Bildung, dem Pupillarabschluss und der Blähung verletzter Linsensysteme folgen, doch unbedingt zu denjenigen, welche sich am wenigsten an die vorgerückten Jahre knüpfen. Es ist bekannt, dass namentlich die entzündlichen Formen sich selten vor dem 30sten und äusserst selten vor dem 20sten Lebensjahr einfinden, doch will ich bei dieser Gelegenheit hervorheben, dass eine völlige Immunität selbst dem kindlichen Alter nicht angehört. Noch im Laufe des letzten Semesters operirte ich ein Mädchen von 10 Jahren, deren beide Augen in einem Intervall von einigen Monaten an einem acuten Glaucom erkrankt waren. Als ich das Kind sah, fand ich mässige Entzündung, beide Pupillen äusserst dilatirt, Iris entfärbt, diffuse Trübung des Kammerwassers, Bulbi steinhart, Sehnerv, besonders auf dem älter erkrankten Auge, tief excavirt, beiderseitige Gesichtsfeldbeschränkung nach innenoben, kurz das vollkommen typische Bild. Ein mehrwöchentliches Prodromalstadium schien dem ersten entzündlichen Anfall vorangegangen zu sein. Hyperopie war erblich in der Familie, sonst keine glaucomatöse Erkrankungen. Iridectomie führte den Verhältnissen gemäss zu einem sehr günstigen Resultat.

  19. Vergl. Haffmans l. c. pag. 170.

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

von Graefe, A. Weitere Zusätze über Glaucom und die Heilwirkung der Iridectomie. Archiv füur Opthalmologie 8, 242–313 (1862). https://doi.org/10.1007/BF02720890

Download citation

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF02720890

Navigation