Zusammenfassung
Der miozäne Leithakalk (Badenien) im Wiener Becken und in der S-Steiermark ist durch eine reichhaltige Fauna und Flora gekennzeichnet. Im Schliffbild dominieren Corallinaceen (Lithothamnium, Mesophyllum, Lithophyllum, Archaeolithothamnium, Palaeothamnium). Die ebenfalls sehr reiche Foraminiferenfauna kann in einzelnen Faziestypen die Corallinaceen an Häufigkeit übertreffen. Faziell sind im Leithakalk zwei Hauptfaziestypen entwickelt: eine bioklastische Schutt-Fazies mit nur schwacher Zementation (mit Ausnahme eines Profils, in dem eine grobsparitische Zementation vorliegt).
Die bioklastischen Schutt-Faziestypen können ebenso wie die Foraminiferen-Schutt-Faziestypen durch die Häufigkeit und Korngröße der Rhodolithen und deren Fragmente untergliedert werden: So weist die bioklastische Algen-Schutt-Fazies nur eckigen bis mäßig gerundeten Corallinaceen-Schutt auf, während die bioklastische Rhodolithen-Schutt-Fazies auch einzelne ganze Rhodolithen enthaält. Einen Sondertyp stellt die bioklastische Algen-Mollusken-Fazies dar, in der zahlreiche Mollusken den Kern der sie laminar umwachsenden Rhodolithen bilden. Die Bioklasten-Fazies besteht überwiegend aus feinen, ursprünglich aragonitischen Bioklasten, die systematisch nicht mehr zugeordnet werden können. Kleine Riffkörper sind durch die Bafflestone-Fazies charakterisiert, in der verzweigte Korallen, massive Korallen und Bryozoen als Sedimentfänger auftreten. Die Pflaster-Fazies zeichnet sich durch lagenweise auftretende Rhodolithen aus; diese lateral nicht weit zu verfolgenden Rotalgenonkoide werden als Rinnenfüllung interpretiert. Die Foraminiferen-Rhodolithen-Schutt-Fazies und die Foraminiferen-Algen-Schutt-Fazies gleichen den bioklastischen Typen, es fehlen jedoch die ursprünglich aragonitischen Bioklasten, und die Foraminiferen treten deutlich in den Vordergrund. Die Foraminferen-Fażies entspricht einem Foraminiferensand (bis zu 1200 Individuen auf 12 cm2 Schliff-Fläche).
In den Profilen tritt ein lebhafter Fazieswechsel auf, der im Zusammenhang mit der paläogeographischen Entwicklung steht. Die bioklastischen Schutt-Faziestypen haben sich hinter kleinen Riffchen gebildet. Die Bioklasten-Fazies steht in engem Zusammenhang mit den Riffen; im “Vorriffbereich” Überwieger. die Foraminiferen-Schutt-Fazies-typen, Hier können stellenweise auch mergelige Kalke entwickelt sein, die durch ihre Foraminiferenfauna mit Globigerinen und Uvigerinen auf die Nähe von tieferen Beckensedimenten hinweisen. Diese Entwicklung ist am Südrand des Leithagebirges vorhanden. Im Unterschied dazu sind die Foraminiferen-Schut-Faziestypen von St. Margarethen in sehr küstennahen Bereichen abgelagert worden und zeigen keinerlei Anzeichen vorriffähnlicher Bildungen. In diesen Karbonatsanden treten immer wieder fossilarme, geringmächtige Tonlagen auf, die in lebensfeindlichen, abgeschnürten Becken entstanden sind. Diese lagunenähnlichen Wannen wurden durch wiederholtes Trockenfallen der Karbonatsande vom normal-marinen Milieu abgeschnürt. Diese besonders im stratigraphisch jüngeren Abschnitt zu beobachtende Entwicklung findet ihren Abschluß in der endgültigen Heraushebung im Sarmat und der damit verbundenen Entstehung einer Steilküste mit Brandungsgeröllen.
Die unterschiedliche paläogeographische Entwicklung äußert sich auch sehr deutlich in der Lithofazies der Leithakalke, die drei Haupttypen zeigt (Abschnitt 7): 1) Die festzementierten Kalke vom Typ Fenk sind als bioklastische Schutt-Faziestypen und als Bafflestone-Fazies entwickelt. Die sehr starke Zementation ist auf eine primäre mikritische Zementation zurückzuführen, wobei ursprünglich Mg-Kalzit abgeschieden wurde. Die weitere Diagenese erfolgte vorwiegend im phreatischen Süßwasserbereich. Vadose Bildungen von Kristallsilten sind in den festzementierten Kalken selten. 2) Auch der zweite Typ, die kreidigen Kalke von Müllendorf, unterlagen einer phreatischen Süßwasserdiagenese, in der die hohe Durchflußgeschwindigkeit der eindringenden Wässer nur eine äußerst schwache Zementation zuließe, 3) In den Karbonatsanden von St. Margarethen überwiegen bedingt durch das wiederholte synsedimentäre Trockenfallen der Karbonatsande vadose Erscheinungen. Die primäre marine Zementation war gering und äußert sich nur in dünnen Mikritzementen. Die sparitischen Zementbänder in diesen Karbonatsanden entstanden in einem Mischbereich von marinen und vadosen Wässern. Meniskus- und Dripstone-Zemente weisen auf ein vadoses Milieu hin. Die wechselnden Diagenesebedingungen werden außer durch die Zementgefüge auch durch die Verteilungsmuster von Mg und Sr angezeigt.
Die verschiedenartigen Diagenesebereiche spiegeln sich auch sehr deutlich in der Erhaltung der Fossilien wider (Abschnit 8): In den Karbonatsanden sind alle aragonitischen Fossilien durch Lösung verschwunden; gleichermaßen die kleinen Bioklasten, ohne irgendwelche Reliktstrukturen zu hinterlassen. Auch Hohlformen fehlen. Aragonitische Fossilien sind nur dort erhalten, wo sie durch Corallinaceen umkrustet sind. Im Unterschied dazu sind in den festzementierten und kreidigen Kalken auf Grund der vorwiegend phreatischen Süßwasserdiagenese Hohlformen und umkristallisierte aragonitische Fossilien überliefert. Kalzitische Fossilien wie Austern und Pectiniden treten überall auf und besitzen noch ihre ursprüngliche Schale, wobei nur eine schwache Sammelkristallisation zu beobachten ist.
Von Interesse ist die bei aragonitischen Mollusken aus den mergeligen Beckensedimenten feststellbare allmähliche Umwandlung der Schale, die zur völligen Struktur auflösung wie in den festzementierten und kreidigen Kalken führt, Hierbei können aus in ihrer primären Entstehung verschiedenen Strukturen durch sanfte Umwandlung optisch gleichartige Strukturen entstehen: Bei der Perlmuttstruktur der Archaeogastropodenschalen konnte eine Umwandlung in eine Kreuzlamelle durch kalzitische Neubildungen beobachtet werden. Das gemeinsame Auftreten der beiden Strukturtypen in eine und derselben Schale von fossilen Mollusken muß daher diskutiert werden (Abschnitt 8.2).
Bei den aus Mg-Kalzit bestehenden Corallinaceen sind ebenfalls graduelle Strukturveränderungen festzustellen, wobei eine allmähliche Kristallvergröberung für die Strukturumwandlung verantwortlich ist (Abschnitt 8.1).
Die unterschiedliche Schalenmineralogie der biogenen karbonatischen Skelettelemente führt während der Diagenese zu einer Verschiebung der ursprünglichen Faunen- und Florenzusammensetzung. Besonders stark wirkt sich dies bei den Mollusken aus: Die Aragonitschaler werden dezimiert und die Kalzitschaler “reichern” sich durch Lösung an und können, wie in den Karbonatsanden von St. Margarethen, die einzigen erhaltenen Mollusken sein. Vergleichbare diagenetische Veränderungen des Faunenspektrums werden auch durch den Vergleich von Faunen rezenter Karbonate im Golf von Agaba mit den Faunen in faziell entsprechenden, gehobenen Terassen bestätigt (Abschnitt 9).
Summary
The Miocene Leitha limestone (Badenian) of the Vienna and Styrian basins is very rich in fossils. Coralline algae are predominant elements in thin-sections. Foraminifera are abundant and may sometimes predominate. Two main facies types are developed (Chapter 4): The “bioclastic debris facies types” are characterized by a micritic cementation. The “forminiferal facies types” exhibit a weak cementation except in one section, where cementation has been caused by sparry calcite.
The “bioclastic debris facies types” as well as the “foraminiferal debris facies types” can be subdivided according to the frequency and grain size of the rhodolites and their fragments. The “bioclastic algal debris facies” is characterized by angular fragments of coralline algae, whereas the “bioclastic rhodolite debris facies” also exhibits some complete rhodolites. A special type is represented by the “bioclastic algal mollusk facies” in which frequent mollusks form the nuclei of lamellar rhodolites. The “bioclastic facies” consists predominantly of small primary aragonitic bioclasts which now can no longer be determined. Small patch reefs are characterized by the “bafflestone facies”; frame-building organisms are massive, branched corals and bryozoans. The “pavement facies” is characterized by an accumulation of layers of rhodolites but laterally not widespread, which represent channel fillings. The “foraminiferal alga debris facies” and the “foraminiferal rhodolite debris facies” are similar to their bioclastic counterparts but primary aragonitic bioclasts are missing and the foraminifera predominate (up to 1200 individuals in a thin-section, surface are 12 cm2). This facies corresponds to a foraminiferal sand.
The facies development within the sections (Chapter 5) reflects a quick change due to changing paleogeographical situations. The “bioclastic debris facies types” were formed behind small patch reefs. The “bioclastic facies” is closely connected to the “bafflestone facies” of the reefs; the “fore reef” facies is characterized by “foraminiferal debris facies types”. Marly limestones are also developed within this depositional environment and a transition to the basinal facies is indicated by the occurrence of globigerinids. This development can be seen at the southern margin of the Leitha mountains. The “foraminiferal debris facies types” of the St. Margarethen area, in contrast, were formed in a shallow-water environment without reefs. Intercalated within these carbonate sands are thin clay layers, deposited in restricted lagoonal environments, when carbonate sands episodically emerged and were isolated from the open sea. This development is very common in the upper part of the stratigraphic sequence, culminating in the final uplift of this area during the Sarmatian.
The various paleogeographic developments are reflected by the different lithofacies types of the Leitha limestones. Three main lithofacies types can be distinguished; 1) The well-cemented limestones (Type Fenk) comprise all the bioclastic debris facies types and the bafflestone facies. Complete lithification is the product of a primary micritic cementation, originally by Mg-calcite. Subsequent diagenetic events are predominantly of freshwater phreatic origin. Vadose fabrics crystal silts are rare within the well-cemented limestones. 2) The chalky limestones (Type Müllendorf) have undergone a freshwater phreatic diagenesis, characterized by the high velocity of the penetrating water. 3) Because of frequent synsedimentary emersions of the carbonate sands of St. Margarethen, vadose cements predominate. The amount of primary marine cement is small; only thin micritic rimcements are developed. Sparry cement rims were formed within a mixing environment of freshwater and sea water; this is indicated by SEM studied as well as by the distributional patterns of Mg and Sr.
The different diagenetic environments are clearly reflected by the preservation of the fossils (Chapter 8): In the carbonate sands of St. Margarethen all the aragonitic shells have disappeared as a result of leaching leaving no relict structures or molds. They are only preserved as molds when they are encrusted by coralline algae. In contrast, the fossils of the well-cemented and chalky limestones are found as molds or the shells are replaced by calcite due to phreatic freshwater diagenesis. Calcitic mollusks (e.g., pectinids, oysters) are well-preserved and exhibit a primary microstructure.
Of special interest is the occurrence of gradual alterations of primary aragonitic mollusk shells within the marly basinal sediments; Primarily different microstructures may grade into analogous microstructures. This is shown by the nacre structure of the archaeogastropod shells, optically exhibiting a crossed lamellar structure, which was produced by an intermediate calcite replacement. The coralline algae, consisting of Mg-calcite, also show structural alterations of their microstructure by crystal enlargement.
The various mineralogies of the biogenous skeletons cause a change in the composition of the fauna and flora during diagenesis. This is especially important for distributional patterns of mollusks, because aragonitic shells are reduced and calcitic shells enriched (e.g., carbonate sands of St. Margarethen). Similar alterations by diagenesis can be recognized by comparing the fauna of Recent carbonates with their uplifted Pleistocene counterparts in the Gulf of Aqaba, Red Sea (Chapter 9).
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Dullo, WC. Fossildiagenese im miozänen Leitha-Kalk der Paratethys von österreich: Ein Beispiel für Faunenverschiebungen durch Diageneseunterschiede. Facies 8, 1–111 (1983). https://doi.org/10.1007/BF02536740
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