Zusammenfassung
Aus früheren Versuchen war bekannt, daß Tolbutamid den Übergang von injiziertem Bromsulphalein aus dem Blut in die Leber beschleunigt. Dadurch wird der Bromsulphalein-Test, eine klinische Leberfunktionsprobe, verändert.
Isoliertes Lebergewebe, das in Serum mit einem Zusatz von Bromsulphalein inkubiert wurde, nimm mehr Farbstoff aus dem Medium auf, wenn Tolbutamid zugesetzt wird. Bereits in einer Konzentration von 5 mg/100 ml erhöhte Tolbutamid die Farbstoffaufnahme signifikant. Dieser Effekt ist unabhängig von der Funktionsfähigkeit des inkubierten Gewebes; auch an Gewebsschnitten von abgestorbener Leber, die unter Ausschluß von Sauerstoff inkubiert werden, steigert Tolbutamid die Aufnahme von Bromsulphalein aus dem Inkubationsmedium.
Wenn dagegen Lebergewebe in einer eiweißfreien Lösung inkubiert wird, erhöht Tolbutamid die Farbstoffaufnahme nicht. Hier wird Bromsulphalein nicht mehr durch die Bindung an Serumproteine im Inkubationsmedium zurückgehalten. Daher dringt eine zehnfach größere Farbstoffmenge in die Leber ein. Dieser Übergang von freiem Bromsulphalein in die Leber wird durch die Anwesenheit von Tolbutamid nicht beeinflußt. Eine Voraussetzung für die Wirkung von Tolbutamid auf die Farbstoffaufnahme ist, daß im Blut oder Serum Bromsulphalein an Proteine gebunden und dadurch sein Übergang in das Gewebe gehemmt wird. Tolbutamid verdrängt Bromsulphalein aus dieser Eiweißbindung und erhöht damit das Angebot an frei diffusablem Bromsulphalein. Es wirkt also außerhalb der Leber, indem es die Bindung von Bromsulphalein im Blute beeinflußt. Es kann durch diese extrahepatische Wirkung den Ausfall des Bromsulphalein-Testes verfälschen.
Im gleichen Sinne wie Tolbutamid waren Carbutamid, Sulfisoxazol, Glykodiazin und Sulfathiazol wirksam. Keine Wirkung hatten Sulfanilsäure, Sulfanilamid und Sulfacetamid.
Summary
As reported earlier the passage of the dye bromsulphalein (BSP) out of the blood and into the liver is accelerated by tolbutamide. The tests of hepatic function which are based on the BSP-clearance of the liver are therefore altered by sulfonylurea drugs.
This effect of tolbutamide has been further investigated in vitro. Slices of hepatic tissue were incubated in serum diluted by buffer to which BSP had been added. More BSP was taken up by the tissue when tolbutamide was added to the incubation fluid. A concentration of 5 mg tolbutamide per 100 ml was sufficient to produce this effect. This result does not depend on the functional state of the incubated tissue as tolbutamide did similarily increase the uptake of BSP by dead tissue in the absence of oxygen. Tolbutamide failed, however, to stimulate the uptake of BSP when hepatic tissue was incubated in proteinfree buffer solution. In these experiments BSP was not restrained from entering the tissues by being bound to protein in the incubation fluid. As free BSP is readily taken up by the tissue the amount of dye enterning the liver slices was increased tenfold. The unrestained passage of free BSP into the tissues is not augmented by tolbutamide. These results show that tolbutamide does only act to accelerate the uptake of BSP by liver tissue when the passage of the dye into the tissue is inhibited by a binding in the incubation fluid. Tolbutamide does displace BSP from its binding sites on the plasma proteins and thus liberates BSP which readily diffuses into the tissues. Tolbutamide does increase the hepatic clearance of BSP by interfering with the binding of BSP in the blood, which is an extra hepatic effect.
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Assistent am Department of Pharmacology, University of Tokyo. In Deutschland als Forschungsstipendiat der Schering AG. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
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Hasselblatt, A., Hukuhara, T. & Ziegler, J. Die Wirkung von Tolbutamid und verwandten Verbindungen auf die Aufnahme von Bromsulphalein (BSP, Bromthalein) durch inkubiertes Lebergewebe. Klin Wochenschr 43, 220–225 (1965). https://doi.org/10.1007/BF02350859
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF02350859