Zusammenfassung
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1.
Die „attische“ Seuche, die 430 v. Zw. über den Piräus nach Athen eingeschleppt wurde, war nur ein Ausläufer der „äthiopischen Pest“, die seit 436 aus Abessinien unterwegs war und die ganzen damals um das Schwarze und das Mittelmeer gelegenen Länder einschließlich Rom heimsuchte.
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2.
Das epidemiologische Gebaren und das klinische Bild einschließlich der Sterblichkeit machen es wahrscheinlich, daß die „äthiopische Pest“ Pocken waren. Das Fleckfieber ist stets eine Begleiterscheinung der Notzeiten in seiner Ausbreitung auf die notleidenden und daher mit Läusen befallenen Bevölkerungsgruppen beschränkt. Seine Epidemiologie kennt keine Pandemien.
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3.
Die gute hygienische und wirtschaftliche Lage der belagerten Athener schließt die Möglichkeit aus, daß die Verlausung und damit das Fleckfieber bereits in dem zweiten Kriegsjahr eine starke Ausbreitung unter ihnen gewinnen könnten. Doch ist es durchaus wahrscheinlich, daß die engen Wohnverhältnisse im belagerten Athen, bei dem Vorhandensein der Kleiderläuse sowohl beim städtischen Proletariat wie beim ärmeren Teil der Landbevölkerung, bei Fortdauer der Belagerung zu einer stärkeren Ausbreitung auch des Fleckfiebers führen mußte. Der neuerliche Ausbruch der Seuche in dem Winter 429/28 muß durch Fleckfieber bedingt gewesen sein.
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4.
Die Hauptkomponenten der „attischen Seuche“ sind Pocken und Fleckfieber gewesen. Die Beteiligung verschiedener anderer, für die Kriegszeiten üblicher Seuchen, in erster Linie des Bauchtyphus und der Ruhr, ist anzunehmen. Bei der damaligen unzureichenden Diagnostik dachten auch Ärzte in klinischen Polysyndromen, die stets mehrere ätiologisch verschiedene Einheiten einschlossen. Ein solcher Sammelbegriff war auch die „attische Seuche“.
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v. Bormann, F. Attische Seuche 430–426 v. Zw.. Zeitschr. f. Hygiene. 136, 67–84 (1952). https://doi.org/10.1007/BF02152528
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