Zusammenfassung
Durch die stets vorhandene ungeordnete Bewegung der strömenden Luft, die sich in kleinen Wirbeln u. dgl. kundgibt, werden Samen, Sporen, Früchte, Blütenstaub viel weiter von ihrem Entstehungsort vertragen als durch ruhigen Wind. Unter Annahme von Mittelwerten für die Luftunruhe und die Windgeschwindigkeit — beide durch meteorologische Beobachtungen gegeben — läßt sich für jeden Samen, dessen Sinkgeschwindigkeit in ruhiger Luft bekannt ist, rechnen, welcher Bruchteil der ursprünglichen Anzahl in bestimmte Entfernungen gelangt. Man findet, daß sich Samen innerhalb eines gewissen AbstandesV, der „mittleren Verbreitungsgrenze”, noch verhältnismäßig häufig finden; außerhalb gelangt nur ein Hundertstel aller, die Entfernung 2V wird nur höchst selten überschritten.
Die mittlere VerbreitungsgrenzeV — im allgemeinen verkehrt proportional dem Quadrat der Sinkgeschwindigkeit — rückt außerordentlich weit hinaus für die feinsten Sporen; deren Ausbreitung müßte sich unmittelbar über die ganze Erde erstrecken, wenn sie nicht auf andere Weise, durch Kondensationsvorgänge, eingeschränkt würde. Bei den bestfliegenden Früchten unserer heimischen Korbblüttler erreichtV einige Kilometer, nicht viel stehen ihnen nach die einen eigentlichen Schwebeflug benützenden, wie z. B. die derZanonia, Birke oder auch der meisten. Nadelhölzer. Gering, nur nach Metern zu messen, ist die Wirkung der Luftbewegung auf Früchte von der Gestalt jener der Esche, desAilanthus u. ä.
Eine angenäherte Berechnung seiner Sinkgeschwindigkeit erklärt es, daß der Blütenstaub der Rotföhre — ein Beispiel für unsere heimischen Windblütler — auf weite Strecken vertragen wird;V übersteigt da 30 km.
Die angeführten Zahlen haben nur als roheste Annäherung an Mittelwerte zu gelten; im Einzelfall mögen sie, abhängig von meteorologischen Bedingungen und örtlichen Einflüssen, stark abweichen. Jedenfalls geben aber auch da noch dieV ein richtiges Bild der verhältnis-mäßigen räumlichen Verbreitung verschiedener Früchte und Samen.
Wien, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.
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Schmidt, W. Die Verbreitung von Samen und Blütenstaub durch die Luftbewegung. Osterr. botan. Zeitschrift 67, 313–328 (1918). https://doi.org/10.1007/BF02126080
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