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Über den Wirkungsmechanismus betäubender Gase, des Stickoxyduls und des Azetylens

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Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Stickoxydul im Gemisch mit Luft oder Sauerstoff ist nicht deshalb unwirksam, weil sein Teildruck herabgesetzt ist, sondern weil die Gegenwart einer erheblichen Sauerstoffmenge die betäubende Wirkung nicht aufkommen läßt. Lebensäußerungen, die nicht an das Vorhandensein von Sauerstoff gebunden sind, werden von Stickoxydul so wenig beeinflußt wie von einem indifferenten Gas. Daraus folgt, daß die betäubende Wirkung des Stickoxyduls auf einer Störung der Sauerstoffaufnahme oder-verwertung durch die Nervenzellen beruht, eine Annahme, für die unter anderem die Ähnlichkeit zwischen dem Bild des Stickoxydulrausches und der anoxischen Erstickung (Bergkrankheit) spricht. Daß dem Stickoxydul gegenüber anderen indifferenten Gasen eine solche Wirkung zukommt, wird mit einer vorstechenden physikalischen Eigenschaft dieses Gases in Zusammenhang gebracht, seiner leichten Löslichkeit in Wasser, die schnell zur Aufnahme einer großen Gasmenge ins Blut führt.

Die Richtigkeit einer solchen Vermutung wird erwiesen durch Versuche mit einem anderen indifferenten, in Wasser leicht löslichen Gas, dem Azetylen. Azetylen zeigt in seinen Wirkungen die größte Ähnlichkeit mit Stickoxydul: anoxybiotische Vorgänge bleiben unbeeinflußt; höher entwickelte Tiere, auch der Mensch, werden rasch betäubt; entsprechend seiner höheren Wasserlöslichkeit ist Azetylen auch wirksamer, so daß noch bei Gegenwart erheblicher Sauerstoffmengen Betäubung eintritt. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, Tiere für längere Zeit in tiefer Betäubung zu halten, ohme — wie bei Stickoxydul — zur Anwendung von Überdruck genötigt zu sein; an der weißen Maus sind solche Versuche über 8 Stunden lang fortgesetzt worden. Eine solche Dauer der Betäubung wird außer durch das Fehlen schädlicher Kreislaufswirkungen dadurch ermöglicht, daß unter der Wirkung des Azetylens die Verbrennungsprozesse im Organismus mächtig eingeschränkt werden, ein «Winterschlaf» eintritt.

Auf welche Weise die Störung der Oxydationen im zentralen Nervensystem nach der Einatmung von Stickoxydul oder Azetylen zustande kommt, ist noch nicht klar. Bis jetzt konnte nur gezeigt werden, daß die Aufnahme von Sauerstoff durch das Blut bei Gegenwart von Azetylen nicht vermindert ist.

Die Versuche zwingen dazu, eine scharfe Trennung zu machen zwischen der Gruppe der echten «lipoidlöslichen» Narkotika und der Gruppe der betäubenden Gase, des Stickoxyduls und des Azetylens.

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Wieland, H. Über den Wirkungsmechanismus betäubender Gase, des Stickoxyduls und des Azetylens. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol 92, 96–152 (1922). https://doi.org/10.1007/BF01929932

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