Zusammenfassung
Fenn hat gezeigt, daß Calciumchlorid und Natriumchlorid, obwohl sie für sich allein die Alkoholfällung der Gelatine in scheinbar gleichartiger Weise hemmen, im Gemisch sich antagonistisch verhalten.
Auf die Deutungsmöglichkeiten dieser und anderer, ebenfalls für pharmakologische und balneologische Erscheinungen bedeutungsvoller paradoxer Ionenantagonismen wird eingegangen und zur Aufklärung eine kolloidchemische Methode von Michaelis und Rona herangezogen.
Bei den Untersuchungen ergibt sich unter anderem, daß die scheinbar gleichsinnige Wirkung beider Salze ganz verschiedene Ursachen hat, die ihren paradox erscheinenden Antagonismus verständlicher machen: Das Calciumchlorid verschiebt schon in sehr niederen Konzentrationen das Flockungsoptimum der Gelatine in alkalischere Gebiete, das Natriumchlorid dagegen verschiebt das Flockungsoptimum in einen Bereich stärker saurer Reaktion. Dabei sind vom Natriumchlorid wesentlich höhere Konzentrationen nötig, um eine Verschiebung des Flockungsoptimums zu bewirken.
Dementsprechend bedarf es auch relativ großer Natriumchloridmengen, um die durch viel kleinere Calciumchloridkonzentrationen bewirkte Verschiebung des Flockungsoptimums im Gemisch wieder antagonistisch aufzuheben.
Das in mancher Beziehung dem Calciumchlorid ähnliche Magnesiumchlorid scheint in anderer Hinsicht recht erhebliche Abweichungen zu zeigen, deren Wesen aber noch nicht genügend aufgeklärt ist.
Literatur
Spiro, Schweiz. med. Wochenschr. 1921, Nr. 20.
S. M. Neuschloß, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1920, Bd. 181, S. 17.
Siehe Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. Leipzig 1926, S. 238 ff.
Labes, Veröffentlichungen der Zentralstelle für Balneologie. 1929, Hft. 10.
Labes, a. a. O. Veröffentlichungen der Zentralstelle für Balneologie. 1929, Hft. 10. S. auch die weiteren diesbezüglichen Untersuchungen von Zain, Zeitschr. f. wiss. Bäderkunde 1929, 4. Jahrg., S. 93.
L. Michaelis und P. Rona, Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 94, S. 225. Daß diese Methode auch für die Untersuchung der Aussalzungserscheinungen herangezogen werden kann, zeigte Labes, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1921, Bd. 186, S. 112. Möglicherweise eignet sie sich auch für die Untersuchung der unregelmäßigen Reihen.
Michaelis und Rona, Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 94, S. 225.
Labes, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1921, Bd. 186, S. 98.
Labes, Veröffentlichungen der Zentralstelle für Balneologie. 1929, Hft. 10.
Zain, Zeitschr. f. wiss. Bäderkunde 1929, 4. Jahrg., S. 93.
In diesen Untersuchungen zeigte sich, daß Calciumchlorid und Magnesiumchlorid bereits in 0,002 molarer Konzentration und noch weit stärker in höheren Konzentrationen das Flockungsoptimum des Lezithins nach der alkalischen Seite verschieben, während Natriumchlorid erst in viel höheren Konzentrationen etwas nach der sauren Seite verschiebt. Dementsprechend sind große Mengen Natriumchlorid nötig, um die Wirkung einer kleinen Menge Calciumchlorid antagonistisch zu beeinflussen.
W. O. Fenn, Proc. of the nat. acad. of sciences (U. S. A.) 1916, Bd. 2, S. 534.
Nur in einzelnen Versuchsreihen, in denen dies besonders vermerkt wurde, war die Gelatinelösung 0,2%ig. Verwendet wurde pulverisierte Gelatine von Merck.
Wie wir uns überzeugten, war das Pufferungsvermögen der Standardlösungen stark genug, um die Eigenpufferung der Gelatine zu überwinden.
Bei der sehr großen Winterkälte schwankte die Temperatur im geheizten Zimmer zwischen 14 und 18°C.
Über die Beziehung zwischen Aussalzung bei hohen Konzentrationen stark wasserbindender Anionen und der Verminderung des Flockungsgrades bei mittleren Konzentrationen s. Labes, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1921, Bd. 186, S. 112.
J. Loeb, Journ. of biol. chem. 1918, Bd. 31, S. 343; Bd. 34. S. 77 und 489; Bd. 35, S. 497.
Spiro, Schweiz. med. Wochenschr. 1921, Nr. 20 und Mond, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1923, Bd. 200, S. 422 haben nämlich gezeigt, das Salze die H.-Ionenkonzentration ungepufferter Ampholytlösungen verändern, wobei z. B. Calciumchlorid antagonistisch gegen Kaliumchlorid wirkt, indem Calciumchlorid die [H.] erhöht, KCl erniedrigt.
Auch das Magnesiumchlorid wirkt bei kleinen Konzentrationen ähnlich wie das Calciumchlorid und läßt sich durch Natriumchlorid antagonistisch beeinflussen. Bei der Kälte und besonders bei längerer Versuchsdauer entwickelt sich die Flockung aber an anderen Stellen (meist stärker im sauren Gebiete), als nach den ursprünglichen Trübungsverhältnissen zu vermuten wäre. Dieses merkwürdige Verhalten zeigt auch das Magnesiumchlorid allein ohne Natriumchloridzusatz; so verursachte z. B. 0,1 mol. Magnesiumchlorid bei 0° und 15° C zuerst eine Opaleszenz in Röhrchen 1, nachher trat die Flockenbildung am stärksten in Röhrchen 5 auf. Ob dies in einer Beziehung dem Calciumchlorid ähnliche, in anderer Beziehung abweichende kolloidchemische Verhalten des Magnesiumchlorids auch für die pharmakologischen Beziehungen beider Salze von Bedeutung ist, läßt sich noch nicht übersehen.
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Mit 6 Abbildungen.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Labes, R., Zain, H. Über antagonistische Ionenwirkungen an der Gelatine. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol 146, 63–77 (1929). https://doi.org/10.1007/BF01862738
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF01862738