Zusammenfassung
Verschiedene Verfahren zur Konzentrationsbestimmung von Wirkungsstoffen aus Tierversuchen werden auf ihre Genauigkeit hin geprüft und mit dem genauesten Verfahren, der “Maximalmethode” von R. A. Fisher, verglichen. Dabei zeigt sich, daß bei kleinen Tierzahlen und völlig unbekannter Konzentration des Wirkungsstoffes die “Flächenmethode” von Wirth, Behrens und Kärber allen anderen Rechenverfahren vorzuziehen ist (§ 4). Es werden Formeln angegeben, nach denen man bei dieser Methode nicht nur die mittlere tödliche Dosis [§ 2, Formeln (2) und (8)], sondern auch die Streuung der tödlichen Dosis oder Steigung der Wirkungsgeraden (9), sowie den mittleren Fehler der Auswertung [(4) und (5)] berechnen kann. Es wird weiter angegeben, wie man die Experimente einzurichten hat, um mit möglichst wenig Tieren eine gute Genauigkeit zu erzielen (§ 2). Sind andererseits die mittlere tödliche Dosis und die Streuung σ genähert bekannt, so ist die genaueste Auswertungsmethode die “Einpunktmethode”, die darin besteht, daß eine Dosis, bei der ungefähr 50% der Tiere reagiert, einer größeren Anzahl von Tieren eingegeben wird und durch den so gewonnenen Beobachtungspunkt die Wirkungsgerade gelegt wird [§ 3, Formel (12)]. Der mittlere Fehler dieser Methode wird angegeben [Formeln (15) und (16)]. Bei großen Tierzahlen kommt, besonders wenn σ nicht von vornherein bekannt ist, auch noch die “Zweipunktmethode” in Betracht, deren mittlerer Fehler durch Formel (19) gegeben wird.
Literatur
Mathematisch ist der Zusammenhang zwischenp undy durch\(p = \frac{1}{{\sqrt {2\pi } }}\int\limits_{ - \infty }^y {e^{ - \tfrac{1}{2}t^2 } } d t\)
Wirth, W.: Wundt's psychologische Studien6, 141 (1940); vgl. auch Wirth, Psychophysik, Leipzig 1912.
Kärber, G.: Naunyn-Schmiedebergs Arch.162, 480 (1931).
Man kannM auch durch die weiße Fläche links von der Wirkungskurve definieren:\(M = \smallint x dp\). Aus dieser Integraldarstellung folgt, daßM der Mittelwert der individuell tödlichen Dosen aller Versuchstiere ist.
“Fast 100%” bedeutet hier etwa: zwischen 95 und 100%.
Chen, Anderson u. Robbins: Quart. J. Pharmacy a. Pharmacol.11, 84 (1938).
Bliss, C. I.: Quart. J. Pharmacy a. Pharmacol.11, 202 (1938).
Gaddum, J. H.: Med. Res. Counsil Reports on Biol. Standards III, 27 (1833).
Warum Gaddum das l. c. bezweifelt, ist mir unklar.
Bei Gaddum, l. c.
Prigge, R., u. W. Schäfer: Naunyn-Schmiedebergs Arch.191, 303 (1939).
“Genügend weit fortgesetzt” heißt eine Reihe dann, wenn man annehmen kann, daß der nächstgrößeren Dosis eine Mortalität nahe bei 100%, der nächstkleineren eine Mortalität nahe bei 0% entspricht. Das Urteil darüber ist unvermeidlich subjektiv; jedoch wurden in diesem Fall bei der Auswahl der “genügend langen” Versuchsreihen objektive Kriterien angewandt, die jede Willkür ausschließen.
Der mittlere Fehler vons 2 ist nämlich, wie aus (7b) leicht folgt, umgekehrt proportinal zu\(\sqrt n \).
In der Praxis wird man die Forderung, daßp nicht zu nahe bei 0 oder 100% liegen soll, dadurch erfüllen, daß man nur solche Beobachtungen heranzieht, bei denenk und\(\tilde k\) beide nicht zu klein (etwa beide größer als 1 oder 2) sind.
Zum Beweis von (14) nehmen wir an, daß für σ undy Näherungswertes undy′ zur Verfügung stehen, deren Mittelwerte gleich σ bzw.y sind. Man hat dann, wenn der Querstrich Mittelwertbildung bedeutet:\(\begin{gathered} \xi ' = x - s y', \xi = x - \sigma y, \hfill \\ \overline {(\xi ' - \xi )^2 } = \overline {(s y' - \sigma y)^2 } = \overline {s^2 } \overline {y'^2 } - 2\sigma ^2 y^2 + \sigma ^2 y^2 \hfill \\ = (\sigma ^2 + \mu _s^2 ) (y^2 + \mu _y^2 ) - \sigma ^2 y^2 = \sigma ^2 \mu _y^2 + \mu _s^2 (y^2 + \mu _y^2 ). \hfill \\ \end{gathered} \) Dabei ist angenommen worden, daßs undy′ unabhängig sind, was in der Praxis nicht immer der Fall ist. Auch die Annahmen\(\bar s = \sigma \) und\(\bar y' = y\) sind oft nur näherungsweise erfüllt.
Prigge, R., u. W. Schäfer, Naunyn-Schmiedebergs Arch.191, 297 (1939). Der mittlere Fehler des von Prigge errechnetenR wurde nach Formel (6) der zitierten Gaddumschen Abhandlung berechnet. Der mittlere Fehler μs ergibt sich daraus nach der Formel μs = s2μR.
Die nähere theoretische Ausführung dieser Behauptung kann ich mir ersparen, weil die von Behrens und Kärber mit “Zetteltieren” durchgeführte Untersuchung (Naunyn-Schmiedebergs Arch.177, 637 (1935) sie in schlagender Weise experimentell bestätigt. Von insgesamt 175 Auswertungen mit je zweimal 15 “Tieren” konnten 45 nicht verwertet werden. “Bei der Wahl zu enger Gruppenabstände sind die nicht zu verwertenden Ergebnisse darauf zurückzuführen, daß eine niedere Dosis eine höhere Mortalität als die dazugehörige höhere Dosis ergab, während bei der Wahl der großen Gruppenabstände die nicht zu verwertenden darauf zurückzuführen sind, daß eine Gruppe die Mortalität 100% bzw. 0% aufwies.”.
Vgl. dazu Punkt 2 der Zusammenfassung von Behrens u. Kärber, l. c.
Bei ungleichenn 1 undn 2 erhält man statt der Bedingungy 1=−y 2 die anderen 1 y 1+n 2 y 2=0, wenigstens solangey 1 undy 2 klein sind.
“Optimale Anwendung” heißt bei der Flächenmethode: Tierzahlen ungefähr proportional zu\(\sqrt {p (1 - p)} \); bei der Zweipunktmethode: Dosen etwa gleich ζ±σ.
Urban, F. M.: Arch. Psych.15, 261 (1909);16, 168 (1910).
Gaddum, J. H.: Med. Research. Counsil Reports on Biol. Standards III, Methods of Biological Assay depending on a Quantal Response (London 1933).
Bliss, C. I.: Ann. Appl. Biol.22, 134 (1934).
Fisher, R. A.: Proc. Cambridge philos. Soc., Biol. Sci22, 700 (1924); vgl. auch R. A. Fisher: Statistical Methods for Research Workers.
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van der Waerden, B.L. Wirksamkeits- und Konzentrationsbestimmung durch Tierversuche. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol 195, 389–412 (1940). https://doi.org/10.1007/BF01862128
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