Pharmakologische Untersuchungen am weißen Blutbild

Zusammenfassung

Atropin und Calcium verschieben das relative weiße Blutbild des gesunden Menschen in sympathischer Richtung zugunsten der Neutrophilen; Pilokarpin, Cholin, im allgemeinen auch Gynergen, verschieben es in parasympathischer Richtung zugunsten der Lymphocyten. Bei Adrenalin wird die zu erwartende relative Neutrophilie durch eine vorher einsetzende Lymphocytenvermehrung überdeckt. Den pharmakologischen Eigenschaften der genannten Mittel entsprechen also ihre Wirkungen auf das Differentialblutbild und stützen damit die Lehre vom vagotonen und sympathikotonen Blutbild.

Das Ausmaß der Reaktion ist im allgemeinen größer bei gesteigerter vegetativer Erregbarkeit (Asthma, Basedow, Urtikaria, Quinckesches Ödem, vegetativ Stigmatisierte, Hysterie u. a.), geringer bei Infektionskrankheiten.

Damit liegt die Auffassung nahe, daß die genannten Versuche die Reizbarkeit desjenigen physiologischen Systems anzeigen, das im Differentialblutbild seinen Ausdruck findet. Diese Reizbarkeit ist teils konstitutionell bedingt, teils kann sie durch Umstände, die das System einseitig in Anspruch nehmen, verändert, meist wohl vermindert sein.

Anwendung mehrerer Pharmaka am gleichen Objekt scheint Schlüsse zu erlauben über Tonus und Reizbarkeit der in das System antagonistisch eigreifenden Kräfte.