Zusammenfassung
Weder in niederen noch in hohen Konzentrationen bewirkt Veratrin eine Veränderung im Laktacidogenbestande des Muskels. Dagegen zeigt die Phosphorsäureausscheidung der in Ringerlösung suspendierten Froschmuskeln ein sehr charakteristisches Verhalten unter dem Einfluß des Veratrins. Bei niederen Giftkonzentrationen, welche die typische Doppelzuckung bedingen, ist die Phosphorsäure-ausscheidung regelmäßig erheblich herabgesetzt. Solche Umstände jedoch, welche die typische Veratrin-Zuckungskurve wieder zum Verschwinden bringen, insbesondere hohe Giftkonzentrationen und rhythmische Reizung, heben zugleich auch die durch niedere Giftkonzentrationen bedingte Hemmung der Phosphorsäureausscheidung wieder auf. Die starke Vermehrung der Phosphorsäureausscheidung isolierter Muskeln unter der Einwirkung lähmender, isotonischer Rohrzuckerlösungen wird durch gleichzeitige Behandlung mit niederen Veratrin-konzentrationen ebenso gehemmt, wie die lähmende Wirkung der Rohrzuckerlösung.
Aus diesen Ergebnissen wird gefolgert, daß zwischen dem Auftreten der typischen Veratrin-Zuckungskurve und der Herabsetzung der Phosphorsäureausscheidung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es handelt sich bei der Veratrinwirkung um eine Veränderung des Kolloidzustandes der Muskeleiweißkörper, die sich in erster Linie als eine Herabsetzung der Durchlässigkeit der Grenzschichten darstellt. Es wird gezeigt, daß diese Annahme die verschiedenen Erscheinungen der Veratrinwirkung am quergestreiften Muskel einheitlich zu erklären gestattet und daß sie zugleich zu einer Theorie der Doppelzuckung überhaupt, insbesondere der Funkeschen Nase, führt.
Die Richtigkeit dieser Anschauungen wird, wie in der nächsten Mitteilung ausführlich dargelegt werden soll, dadurch erwiesen, daß es in der Tat eine bisher unbekannte Wirkung des Veratrins auf den Kolloidzustand von einfachen Eiweißsolen gibt, die, nach bestimmten Regeln verlaufend, die Grundlagen für die kolloidchemische Erklärung der Veratrinwirkung zu geben vermag.
Literatur
I.: Dieses Archiv 1921, Bd. 91, S. 342. II.: Ebenda Dieses Archiv 1922, Bd. 92, S. 254. III.: Ebenda Dieses Archiv 1922, Bd. 93, S. 163.
Overend, Dieses Archiv 1889, Bd. 26, S. 1.
Grützner, Pflügers Archiv 1890. Bd. 47, S. 1890.
Botazzi, Arch. f. Phys. 1901, S. 377.
Joteyko, Institut Solvay 1902, Bd. VII, S. 209.
Vgl. das betr. Kapitel von Böhm, in Heffters Handbuch der exp. Pharmakologie Bd. II, S. 249. Berlin 1920.
Joteyko, a. a. O..
Mostinsky, Dieses Archiv 1904, Bd. 51, S. 310. Böhm, Ebenda Dieses Archiv 1913, Bd. 71, S. 209.
Wöbbeke, Dieses Archiv 1913, Bd. 71, S. 157.
Fick und Böhm, Verhandlungen der phys. med. Gesellschaft Marburg 1872.
Joteyko, a. a. O. 1902, Bd. VII, S. 209.
Lamm, Ztschr. f. Biol. 1911, Bd. 56, S. 56.
Frey, Pflügers Archiv 1920, Bd. 184, S. 156.
C. Wechselmann, Ztschr. f. phys. Chemie 1921, Bd. 113, S. 146.
L-H3PO4 der Tabelle = Laktacidogenphosphorsäure. Bezüglich der sonstigen Bezeichnungen wie der Methodik vgl. die vorige Mitteilung (III) in diesem Archiv Bd. 93, S. 167.
Embden und Adler, Ztschr. f. physiol. Chemie 1922, Bd. 118, S. 1.
Embden, Ebenda, Bd. 113, S. 138.
Diese Bestimmungen erfolgten durch Vergleich der gefundenen Trübungen bzw. Niederschläge mit denen in Lösungen von bekanntem Phosphatgehalt und können keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit erheben. Ein Nephelometer stand uns damals leider noch nicht zur Verfügung. Siehe S. 194.
Embden und Adler, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1922, Bd. 118, S. 1.
Kleinmann, Biochemische Zeitschrift 1920, Bd. 99, S. 19.
de Boer, Zeitschr. f. Biol. 1915, Bd. 65, S. 239.
Botazzi, Archiv. f. Physiologie 1901, S. 377.
Joteyko, Travaux de l'institut Solvay 1902, Bd. V, S. 229.
Embden und Adler, Zeitschr. f. phys. Chemie 1921, Bd. 113, S. 201.
Meyerhof, Pflügers Archiv 1920, Bd. 182, S. 284.
Parnas, Ztrlbl. f. Phys. 1915, Bd. 30.
Meyerhof, Pflügers Archiv 1920, Bd. 182, S. 284.
Pflügers Archiv 1921, Bd. 190, S. 137.
Zeitschr. f. physiol. Chemie 1922, Bd. 118, S. 123.
Wöbbeke, a. a. O. 1913, Bd. 713, S. 157.
Fick und Böhm, a. a. O. Verhandlungen der phys. med. Gesellschft Marburg 1872.
Hill, Ergebnisse der Physiol. 1916, Bd. XV.
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Mit 1 Kurve.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Riesser, O., Neuschlosz, S.M. Physiologische und kolloidchemische Untersuchungen über den Mechanismus der durch Gifte bewirkten Kontraktur quergestreifter Muskeln. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol 93, 179–207 (1922). https://doi.org/10.1007/BF01861417
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF01861417