Zusammenfassung
Wir haben zuerst die hauptsächlichsten Arbeiten, die sich mit der Bestimmung der Wirksamkeit der Lokalanaesthetica durch die Chronaxiewiderstandes gegen den galvanischen Strom, die energetische Erregbarkeitsformel von H. Lassalle und L. Lapicque\(\left( {\frac{1}{{R \times (2\dot I)^2 \times \tau }}} \right.\), in welcherR den Widerstand,I die Rheobase und τ die Chronaxie darstellen) und die gekuppelten Tröge, die eine gleichzeitige Messung und einen Vergleich der Wirkung des Cocains mit der eines anderen Anaestheticums ermöglichen. Während die Verbesserungen der gewöhnlichen Technik uns genauere Resultate ergaben, erlaubten es uns diese Methoden, das pharmakodynamische Wirkungsproblem der Lokalanaesthetica von neuen Seiten aus zu betrachten.
Literatur
Wir betrauten mit der Übersetzung Herrn Dr. L. Seidner, wofür wir ihm hier bestens danken.
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Man darf nicht außer acht lassen, wie unpassend es meistens ist, anzunehmen, daß eine Senkung der Chronaxie eine Steigerung der Erregbarkeit bedeutet und vice versa. Wir werden später zeigen, wie nötig es ist, wenn man einen annehmbaren Ausdruck für die Veränderung der Erregbarkeit sucht, nicht nur die Änderung der Chronaxie, sondern noch zumindest die Änderung der Rheobase zu berücksichtigen.
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Wir erinner bei dieser Gelegenehit, daß D. Bovet [Arch. internat. Pharmacodynam.41, 103 (1931)] die Wirkung des Percains mit der eines anderen Stoffes auf den Nervus lingualis des Hundes nach unserer chronaximetrischen Methode Vergleichen konnte und daß E. Trabucchi [Atti Soc. med. chir. Padova14, 531 (1936)] mit derselben Methode quantitative Ergebnisse über die Wirkung einiger Alkaloide des Erythrophleum guineense, im Vergleich zu der des Percains auf den isolierten Nerven erhalten haben will.
Siehe Anm. 18, S. 50.
Lapicque, L.: “L'excitabilité en fonction du temps.” Presses Universitaires, S. 118, Paris 1926.
Siehe Untersuchungen von Botazzi, Blinke, Waterman, Dubuisson, Kopaczewski, Osterhout usf.
Alle Einzelheiten betreffend die Definition und die Technik der Messung der Erregbarkeitsparameter mit Hilfe von Kondensatoren finden sich in L. Lapicque: “L'excitabilité en fonction du temps” 1 vol. de 371 p. Presses Universitaires de France. Paris 1926; Laugier, H.: “Die Chronaxie; Methoden und Technik. Handb. d. biol. Arbeitsmethoden von Abderhalden, Abt. V. Teil 5A, S. 719 u. 816 Berlin u. Wien, Urban u. Schwarzenberg, 1929, sowie in der Doktoratsarbeit des einen von uns. S. Anm. 4, S. 49.
Apparat konstruiert von der Firma Boulitte, Paris.
Man kann diese Intensität durch eine vorhergehende Eichung des Galvanometers kennenlernen. Die Annäherung ist dann von ungefähr 1/20 Mikroamp. (Spotverschiebung 1/4 mm). Wir haben es vorgezogen, sie zu berechnen, nachdem wir den Widerstand experimentell festgestellt hatten, denn wir vermeiden auf diese Weise eventuelle Fehler, die von Veränderungen des Galvanometers herrühren können (Temperatur, hygroskopischer Zustand, zufällige Verschiebung des Lineals usw.).
Dieser Apparat ist von der Firma Boulitte in Paris hergestellt. Man findet seine Beschreibung im Buche “L'excitabilité en fonction du temps” von L. Lapicque.
Hersteller Boulitte, Paris.
Hersteller Boulitte, Paris.
Laugier, H.: C. r. Soc. Biol.85, 323 (1921).
Wir versuchten sogar — aber in Anbetracht der Geringfügigkeit dieser Fehlerquelle haben wir diese Versuche nicht fortgesetzt — diesen Ausschlag durch einen Gegenstrom gleichen Wertes zu neutralisieren. Dies ist mit Hilfe einer Leclanche-Batterie und einem Rheostat, der einige Megohm in Serie enthält, möglich. Man könnte sich dieses Verfahrens erinnern, falls man es mit einem noch empfindlicheren Galvanometer zu tun hat.
Die Einschaltung des Galvanometers in den Stromkreis vom Beginn des Versuches an ist äußerst wertvoll, da man damit den Zustand des Stromkreises und den seiner Verzweigungen feststellen kann. Es kommt manchmal vor (Riß der Chronaximeterschnur oder ein anderer Unfall, der eine rasche Reparatur erfordert), daß man die Grenzschalter verwechselt oder eine schlechte Verbindung herstellt. In diesen Fällen zeigt das Galvanometer entweder einen Ausschlag im entgegengesetzten Sinne oder nur einen geringen oder gar keinen Ausschlag.
Es ist möglich, diese Technik der Widerstandsbestimmung unter Verwendung von Kondensatoren anzuwenden. Man weiß, daß die Zeitkonstante der Entladung eines Kondensators der KapazitätC dem Produkt vonX C gleich ist. UnterX versteht man den Gesamtwiderstand des Entladungskreises, der dank der Erfindung des Shunt durch L. Lapicque, äußerst konstant und von ungefähr 10000 Ohm ist, ohne jede Rücksicht auf den Widerstand des Präparates. Eine einfache Überlegung zeigt uns tatsächlich, daß im Falle der Kondensatormontierung, wo der Sicherheitswiderstand von 2000 Ohm fehlt, dieser WiderstandX durch die FormelX=121+10R/13+R ausgedrückt ist und daß die Entladungszeit im Nerven unter diesen Umständen eine Funktion der Kapazität ist. Man könnte z. B. die Rheobase mit 10 Mikrofarad bestimmen und dann mit derselben Ladungsspannung und mit derselben Kapazität den Wiederstand suchen, der denselben Spotausschlag gibt. Sobald man den Widerstand des Präparates kennt, ist es leicht, den Bruchteil der Gesamtenergie der Schwellenentladung, die im experimentellen Nervenabschnitt verbraucht wird, zu berechnen. Er ist 1/2C (2V)2 oder anders gesagt 2C V 2 (worinC die chronaxiale Kapazität undV die rheobasische Spannung sind).
Siehe Doktorarbeit von A. Quevauviller, s. Anm. 20, S. 51.
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Man darf nicht vergessen, daß man in diesen Begriff die Rheobase eingeführt hat, deren unvermeidliche Ungenauigkeiten davon herrühren, daß das wichtigste Element der Reizung nicht so sehr in der Intensität, als vielmehr in der Dichte des Stromes, der an das erregbare Objekt gelangt, zu suchen ist. Da es unmöglich ist, diese Dichte zu bestimmen, ist es unbedingt notwendig, daß sowohl sie selbst als auch die erregbare Oberfläche unverändert bleiben. Es wird uns daher z. B. nicht erlaubt sein, die Erregbarkeit eines Gewebes (Nerv) mit der eines anderen (Muskel) zu vergleichen, und die einzig erlaubten Fälle werden sich dort vorfinden, wo „man auf ein erregbares Präparat eine physische oder pharmakodynamische Wirkung ausüben kann, ohne das Geringste an den Versuchsanordnungen zu ändern, denn die reelle Reizungsenergie für das erregbare Objekt ist dann höchstwahrscheinlich stets derselbe Teil der Gesamtenergie, die im Stromkreise verbraucht wird.” Diese einfachen Überlegungen zeigen hinreichend von einem gewissen Standpunkt aus die Überlegenheit der Chronaxiemessung, denn dieser Parameter ist um vieles unabhängiger von den Versuchsbedingungen als die Rheobase, und er ist daher der einzige, der die obenerwähnten Vergleiche (Nerv, Muskelisochronismus, Nerven verschiedener Gattungen usw.) gestattet.
Die H. Lassallesche Formel 1/V 2τ hat mehreren Autoren [z. B. M. Nivet: C. r. Soc. Biol.116, 1013 (1934); Monnier u. Jasper: C. r. Acad. Sci.194, 2240 (1932)] wervolle Anhaltspunkte gegeben. Sie ist auch von P. K. Knoefel in der Arbeit, die wir erwähnt haben (s. Anm. 15), verwendet worden. Er drückt die Energie durch 1/2CV 2 aus, da er Kondensatoren benutzt, und setzt den Widerstand des Nervengewebes als konstant voraus. Er übergeht dabei vollständig die Anschauungen von H. Lassalle und von L. Lapicque, deren Veröffentlichungen viel frühzeitiger als die seinigen erfolgt sind.
O. Gaudin (Recherches sur l'action physiologique des pyréthrines, Thèse de Doctorat es Sciences, Paris 1937) hat die Wirkung des Pyrethrins am isolierten Nerven mit unserer Technik versucht. Er schreibt (S. 95), daß diese Methode die Messung der Veränderungen der Erregbarkeit mit großer Genauigkeit gibt.
Es ist interessant, bei dieser Gelegenheit festzustellen können, daß die Verbesserungen unserer Technik (gleichzeitige Prüfung der beiden Anaesthetica in gekuppelten Küvetten; gleichzeitige, d. h. zur selben Jahreszeit ausgeführte gesamte Konstruktion der beiden „Konzentrationswirkungs”-Kurven; Benutzung zahlreicher und aus einer homogenen Gruppe herstammender Tiere zu dieser Konstruktion) uns manchmal andere, aber ganz bestimmt genauere Resultate als die, die der eine von uns vor einigen Jahren veröffentlicht hat, gegeben haben. Er erklärte z. B., daß das salzsaure Paraaminobenzoyldiäthylaminoäthanol auf den motorischen Nerven fünfmal stärker wirke als das salzsaure Cocain, während es jetzt scheint, daß die beiden Substanzen annähernd denselben Wert besitzen.
Es scheint uns hier notwendig, was die Unterschiede zwischen unseren Ergebnissen und denen der deutschen Autoren anbelangt, auf den deutlichen Unterschied der beiden Apparaturen hinzuweisen. Während der eine von uns vor einigen Jahren einen Elektrodenabstand von 11 mm und wir jetzt für die obenerwähnten Versuche einen Abstand von 20 mm verwendeten, benutzten die deutschen Autoren einen Abstand von nur 7–8 mm. Wir befinden uns also deutlichen Unterschieden in der Länge und im Volumen der in Frage stehenden Nervengewebe gegenüber, was natürlich die Wirkungsgeschwindigkeit der Lösungen verändern kann. Es ist übrigens, seit den Arbeiten von H. Cardot und H. Laugier [C. r. Soc. Biol.76, 539 (1914)] bekannt, daß der Elektrodenabstand einen großen Einfluß auf die Werte der Chronaxie besitzt (die Chronaxie wächst mit der Erweiterung des Abstandes).
Dieses Ergebnis stimmt mit dem von W. Laubender und M. Saum durch eine einfache Chronaxiemessung gefundenen überein; es scheint aber im Gegensatz zu den Ergebnissen zu stehen, die man mit Hilfe des Du Bois-Reymondschen Schlittens erhält.
Die zwei folgenden Versuche sind vor der Vervollkommnung unserer folgenden der Widerstandsmessung ausgeführt worden.
Es ist interessant, bei dieser Gelegenheit an eine Beobachtung W. Straubs [Pflügers Arch.119, 127 (1907)] zu erinnern. Er zeigte, daß das Aplisienherz, das der Wirkung des Muskarins ausgesetzt ist, zuerst einen Stillstand, nach einer gewissen Zeit aber, eine Wiederherstellung erfährt, obwohl es die ganze Zeit über mit dem Gifte in Berührung geblieben war. Er zeigte außerdem, daß die inhibitorische Wirkung von neuem auftritt, wenn man das Organ im Moment der Wiederherstellung auswäscht.
Diese Ergebnisse erinnern an die Versuche über die Percainwirkung, die von W. Lipschitz und W. Laubender [Klin. Wschr.31, 1438 (1929)] mit der Induktionsspule und von P. Frugoni [Boll. Soc. ital. Biol. sper.9, 1308 (1934),, R. Santi und B. Zweifel [Boll. Soc. ital. Biol. sper.10, 648 u. 652 (1935)] und Donatelli Leonardo [Arch. Farm. Sper.60, 482 (1935)] mit der Herzperfusion ausgeführt worden sind. Trotz Anwendung sehr verdünnter Lösungen und langdauernder Ausspülung war eine Umkehrung der toxischen Percainwirkung nur äußerst schwierig zu erhalten.
Ein gutes Lokalanaestheticum muß nach der Definition von E. Fourneau (Préparation des médicaments organiques, p. 94. Paris, J. B. Bailliere édit, 1921) unter anderen die folgende Eigenschaft besitzen: Es darf nicht die Nervenfibern dauernd beschädigen und muß ohne Hinterlassung von Spuren verschwinden.
Kahlson, G., u. Werz, R. v.: Skand. Arch. Physiol.74, 163 (1936).
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Régnier, J., Quevauviller, A. Quantitative Studie der Wirkung der Lokalanaesthetica. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol 193, 48–78 (1939). https://doi.org/10.1007/BF01861250
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