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Zur Frage des Relativismus und des Fortschritts in den Wissenschaften

Imre Lakatos zum Gedächtnis

  • Aufsätze
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Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie Aims and scope Submit manuscript

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Die naive Idee des wissenschaftlichen Fortschritts beruht auf der irrtümlichen Annahme, daß es absolute Tatsachen und Grundsätze gibt, auf denen aufbauend die Wissenschaft ein ständig verbessertes Bild der Wirklichkeit liefert und sich mehr und mehr einer absoluten Wahrheit nähert. Im Gegensatz dazu wird gezeigt, daß wissenschaftliche Tatsachen und Grundsätze nur innerhalb der Interpretationsschemata von„Systemmengen“ vermittelt werden können, von denen die jeweiligen„historischen Situationen“ bestimmt werden. Die Entwicklung der Wissenschaften wird durch Unstimmigkeiten innerhalb solcher Systemmengen und durch den darin begründeten Wandel hervorgerufen. Dabei liegt ein historischer Relativismus bloßer Fatalität oder Willkür nicht vor, weil nicht nur Kriterien für die Wahrheit von Aussagen innerhalb von Systemenlogisch, sondern weil auch die Systeme selbst samt ihren Veränderungen, und zwarsituationslogisch begründet werden können. Ist nun Wissenschaftsgeschichte „Systemgeschichte“, so kommen nur zwei Bewegungsformen in Frage, in denen Fortschritte erzielt werden können: Nämlich erstens „Systemexplikation“ und zweitens „Systemmutation“. Entsprechend ist ein Fortschritt I von einem Fortschritt II zu unterscheiden. Beide werden mit Hilfe des Begriffs „Harmonisierung einer Systemmenge“ genauer definiert.

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Literatur-Verzeichnis

  1. Vgl. insbesondere K. Hübner: „Theorie und Empirie“, in: Philosophia Naturalis' Band X, Heft 2 (1968). „Duhems historistische Wissenschaftstheorie und ihre Weiterentwicklung“, in: 9. Deutscher Kongreß für Philosophie, hg. von Ludwig Landgrebe, Meisenheim am Glan 1972, und in: Philosophia Naturalis, Band XIII (1971). „Von der Bedeutung der Geistesgeschichte für Grundlegungen der Physik“, in: Akten des XIV. Internationalen Kongresses für Philosophie, Wien (1968). „Über die Philosophie der Wirklichkeit in der Quantenmechanik“, in: Philosophia Naturalis, Band XIV (1973). — Ich zitiere hier meistens nur meine eigenen Veröffentlichungen. Der Grund liegt darin, — ich verweise auch in Fußnote 15 darauf — daß ich wegen des engen mir zur Verfügung stehenden Raumes erst in späteren Veröffentlichungen auf die Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen zum vorliegenden Thema eingehen kann.

  2. Den Begriff „geschichtliches System“ habe ich zum ersten Mal in meinem Aufsatz über „Philosophische Fragen der Zukunftsforschung“ eingeführt. In: Studium Generale 24 (1971). Vgl. auch meinen Artikel „Was sind und was bedeuten Theorien in Natur- und Geschichtswissenschaften?“ In: Kongreßbericht des 10. Deutschen Kongresses für Philosophie, hg. von Hübner und Menne, Hamburg 1974.

  3. Vgl. hierzu K. Hübner: „Was zeigt Keplers ‘Astronomia Nova’ der modernen Wissenschaftstheorie?“ in: Philosophia Naturalis, Band XI (1969).

  4. „Über die Philosophie der Wirklichkeit in der Quantenmechanik“, siehe Fußnote 2.

  5. W. P. Webb: The Historical Seminar, Its Outer Shell and its Inner Spirit, in: Mississippi Valey Historical Review 42 (1955/56).

  6. Vgl. hierzu: „Was sind und was bedeuten Theorien in Natur- und Geschichtswissenschaften?“, siehe Fußnote 3.

  7. Vgl. „Was zeigt Keplers ‘Astronomia Nova’ der modernen Wissenschaftstheorie?“, siehe Fußnote 4. — „Duhems historische Wissenschaftstheorie und ihre gegenwärtige Weiterentwicklung“, siehe Fußnote 2.

  8. Vgl. hierzu meinen Artikel: „Über die Philosophie der Wirklichkeit in der Quantenmechanik“, siehe Fußnote 2.

  9. Vgl. „Theorie und Empirie“, siehe Fußnote 2.

  10. Zur Einführung dieser Begriffe siehe auch: „Philosophische Fragen der Zukunftsforschung“, siehe Fußnote 3.

  11. Gerade in jüngster Zeit ist das Problem des wissenschaftlichen Fortschritts wieder viel diskutiert worden, insbesondere von Lakatos, Feyerabend und Stegmüller. (Vgl. hierzu vor allem: „Criticism and the Growth of Knowledge“, edited by Imre Lakatos and Alan Musgrave, Cambridge University Press 1970, sowie W. Stegmüller: „Theorienstrukturen und Theoriendynamik“, Springer 1973.) Wollte ich mich mit ihnen allen an dieser Stelle auseinandersetzen, würde es den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Ich beschränke mich daher darauf, hier im Wesentlichen zunächst nurmeine Grundgedanken zu diesem Thema zu entwickeln und beabsichtige, mich mit den Genannten in späteren Veröffentlichungen kritisch auseinanderzusetzen.

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Hübner, K. Zur Frage des Relativismus und des Fortschritts in den Wissenschaften. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 5, 285–303 (1974). https://doi.org/10.1007/BF01801740

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