Zusammenfassung
Die Polyallelie erweist sich als sehr geeignet zur Erklärung schwieriger Erbgänge mancher menschlicher und tierischer Heredopathien. Die Schwierigkeit liegt — wie auch in unserem Falle: derspastischen Spinalparalyse — darin, daß dieeine empirische Gegebenheit, das ist dermonomere Erbgang, sich mit den beiden anderen Gegebenheiten: demzweifachen Erbgang („dominant“ und recessiv) und der „graduellenflieβenden Reihe“nicht vereinigen läßt, es sei denn, daß man ebenmultiple Allele deseinen mutierten Gens annimmt.
Während nun aber die Feststellung deszweifachen Erbganges und derflieβenden Reihe keine Schwierigkeiten macht, ist die Sicherstellung desmonomeren Erbganges beim Menschen — mangels der exakten Kreuzungsanalyse — fast unmöglich. Man sollte sich daher nach anderweitigen Beweismitteln umsehen.
Ein solches Beweismittel wird im Text kurz angedeutet und soll in einer späteren Übersicht ausführlicher erörtert werden: es ist das Vorkommen analoger Heredopathien bei anderen Säugetieren, und zwar bei domestizierten Tierrassen. Der Verfasser ist in der Lage, auf Grund seiner Analyse derHeredopathia acustica der Tanzmaus und derChondrodystrophie des Hausrindes den Satz aufzustellen, daß die analogen Heredopathien des Menschenmonomeren Erbgang aufweisen.
Für die spastische Spinalparalyse läßt sich die schon jetzt sehr wahrscheinliche Annahme des monomeren Erbganges durch den Hinweis auf die pathologische Gangart der Tanzmaus stützen. Diese vererbt sich als ein einfacher Mendelfaktor (3∶1) und bildet gleichzeitig eine Komponente des mehrgliedrigen Syndroms der Tanzmaus, vergleichbar dem Syndrom:Diffuse Hirnsklerose des Menschen (diese Seite des Problems soll in einem späteren Zeitpunkt erörtert werden).
Eine „Vergleichende Erbpathologie“ käme jedenfalls der Erkenntnis menschlicher Heredogenerationen außerordentlich zustatten.
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Hammerschlag, V. Die Polyallelie als Grundlage des Erbganges der Spastischen Spinalparalyse. Klin Wochenschr 13, 803–806 (1934). https://doi.org/10.1007/BF01778179
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