Zusammenfassung
Es wird das Vorkommen vonrelativer Koordination bei Hunden (in seltenen Fällen bei Pferden) beschrieben. Sie besteht hier darin, daß die Vorderbeine beim Schreiten oder Laufen mit höherer Frequenz bewegt werden als die Hinterbeine. Zwischen den verschiedenen rhythmischen Aktionen bleiben dabei aber stets gewisse quantitative Beziehungen bestehen:
In den meisten Fällen variieren beide Frequenzen derart, daß der Vorderbeintakt periodisch immer dann zunimmt, wenn der Takt der Hinterbeinrhythmen abnimmt und umgekehrt (gegenseitige Beeinflussung). Seltener ist, daß der Takt der Hinterbeine konstant bleibt, während allein die vorderen periodisch schneller werden (die Hinterbeinrhythmen „führen“) oder daß umgekehrt der Takt der Vorderbeine konstant bleibt, während die Hinterbeine periodisch langsamer werden (die Vorderbeinrhythmen „führen“).
Aus diesen Übereinstimmungen zur relativen Koordination der Fische und aus der Tatsache, daß wie bei den Fischen, so auch bei Säugern, bei absoluter Koordination die gegenseitige Beziehung der Bewegungen nicht starr, sondern gleitend, „elastisch“, ist, wird geschlossen, daß der koordinierende Faktor in beiden Fällen der gleiche sein müsse, nämlich derMagnet-Effekt.
BeimMenschen ist die willkürliche Bewegung beider Arme in verschiedener, voneinander unabhängiger Frequenz grundsätzlich möglich; sie gelingt aber nur einzelnen Versuchspersonen. Bei der Mehrzahl der Personen führt der Versuch, bei geschlossenen Augen beide Arme gleichmäßig in verschiedenem Takt rhythmisch zu bewegen, zu Bewegungsabweichungen, die eine mehr oder minder starke einseitige oder gegenseitige Einflußnahme beider Rhythmen verraten. Die dabei entstehenden mannigfachen Periodenformen entsprechen vollkommen den für die relative Koordination der Fischrhythmen früher beschriebenen Perioden, die dort durch Superposition und Magnetwirkung zustande kommen.
Daraus wird die Berechtigung abgeleitet, die aus der Analyse der relativen Koordination bei Fischen gewonnenen Vorstellungen über den zentralen Ordnungsmechanismus auch auf den Menschen zu übertragen. Mögliche Einwände werden besprochen.
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Herrn Prof. Dr.Richard Hesse zum 70. Geburtstag am 20. II. 38.
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v. Holst, E. Über relative Koordination bei Säugern und beim Menschen. Pflüger Arch. 240, 44–59 (1938). https://doi.org/10.1007/BF01766554
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