Die thermoelastische Anomalie der Skeletmuskulatur und die statistisch-kinetische Theorie der kautschukartigen Elastizität

Zusammenfassung

Mit dem verbesserten, ohne Interferenzfehler und Auftriebsfehler registrierenden optischen Lineardilatometer wurden Messungen der thermischen Ausdehnung der Skeletmuskulatur vorgenommen. Diese hatten folgende Ergebnisse:

• 1. Fascienhaltige Sartorien zeigen im Bereich minimaler bzw. fehlender Dehnung im thermischen Ausdehnungsversuch ein sehr unregelmäßiges, nur schlecht reproduzierbares Verhalten, was wohl auf der Interferenz der entgegengesetzten linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten des Kollagens und der Muskelfaser beruht.

• 2. Fascienfreie lebende Muskelfaserbündel weisen schon im ungedehnten Zustande einen negativen linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten (α) auf, verhalten sich also „thermoelastisch-anomal“, während Kautschuk die Eigenschaft der thermoelastischen Anomalie erst durch Dehnung erwirbt. Bei höherer Dehnung schlägt derα-Wert des fascienfreien Muskels ebenso wie der des fascienhaltigen zu positiven Werten um. Dieser Effekt stellt also eine Eigentümlichkeit der Muskelfaser selbst vor.

• 3. Es konnte die Angabe vonFeng bestätigt werden, daß Muskeln, die bei 0° C absterben, im Gegensatz zu solchen die bei Zimmertemperatur absterben, ihre thermoelastische Anomalie längere Zeit nach völligem Verlust der Erregbarkeit beibehalten.

• 4. Aus dem thermoelastischen Verhalten des Skeletmuskels ist zu schließen, daß die Elastizität des Muskels schon im ungedehnten Zustande im Sinne der 1926 vonWöhlisch aufgestelltenallgemeinen statistischkinetischen Theorie der kautschukartigen Elastizität gedeutet werden muß.