Zusammenfassung
Nach dem heutigen Stande unseres Wissens tritt beim Menschen als Folge einer BindearmlÄsion meist eine Hyperkinese choreatiformer, athetoider oder myoklonischer Natur ein, die anscheinend in der Regel mit einer Hypotonie vergesellschaftet ist.
Unter bestimmten Bedingungen, die sich z. Zt. noch nicht genauer übersehen lassen, kann durch diese Isolierung des roten Kernes von den Einflüssen der Kleinhirnkerne neben anderen cerebellaren Symptomen eine Hypertonieohne Hyperkinese zustandekommen. Wenn wir uns an den Befund des vorliegenden Falles halten, dann scheint bei Unterbrechung des Bindearmes dann eine Hypertonie ohne Hyperkinese zustande zu kommen, wenn sie sich zu einer VerÄnderung des Striopallidum gesellt, die einen Rigor verursacht, so da\ der in seiner Funktion schon entsprechend verÄnderte rote Kern auf den Ausfall seiner letzten afferenten Bahnen in einer Form reagiert, die eine neuerliche Vermehrung des Starrezustandes bewirkt und so das Bild einer vollkommenen extrapyramidalen Enthirnungsstarre hervorruft. ErwÄhnenswert ist die Meinung von A. Jakob, da\ bei partieller oder einseitiger BindearmlÄsion eine Hyperkinese, bei doppelseitiger, völliger hingegen einfache Hypertonie zur Beobachtung kommt. Beim Menschen scheint demnach ein Zustand, den wir als Enthirnungsstarre zu bezeichnen pflegen, eintreten zu können, wenn der rote Kern von seinen wesentlichsten afferenten Verbindungen abgeschnitten ist, ohne da\ der Kern selbst primÄr affiziert ist. Diese Beobachtung rückt den roten Kern in den Vordergrund der Gresamtfunktion des ganzen extrapyramidalen Systems. Es könnte den Anschein haben, als sei er die Zentralstelle, an der die von den Stammganglien einerseits und die vom Kleinhirn andererseits ausgehenden Erregungen oder Hemmungen hier zusammengefa\t und ausbalanciert würden, eine Anschauung, die A. Jakob und vor kurzem in recht extremer Form Sarbó vertritt.
In bezug auf die Lokalisation der Bahnen innerhalb der Bindearme lÄ\t sich aus dem beschriebenen Falle die Tatsache bestÄtigen, da\ die vom Dentatum kommenden Bahnen die mittleren Partien der Bindearme einnehmen.
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Matzdorff, P. BeitrÄge zur Pathologie des extrapyramidal-motorischen Systems. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde 105, 234–249 (1928). https://doi.org/10.1007/BF01668428
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