Über den Streckvorgang bei künstlichen Zellulosefasern

Zusammenfassung

• 1. Zur voraussetzungslosen und vollständigen Beschreibung des Orientierungszustandes blättchenförmiger Teilchen sind zwei unabhängige Angaben über die achsiale und die planare Orientierung erforderlich. Die Methoden der Orientierungsmessung mittels der Halbbreiteparameter nach Kast oder der Schwankungsquadrate nach Hermans werden in diesem Sinne diskutiert bzw. erweitert.

• 2. Der Verlauf dieser Parameterpaare mit der Verstreckung wird für beide Methoden nach den Kratkyschen Theorien der Orientierung stäbchenförmiger und blättchenförmiger Teilchen infolge der affinen Deformation ihrer Umgebung berechnet.

• 3. Der Vergleich der beobachteten und berechneten Parameter läßt das Auftreten verschiedener Verhältnisse von achsialer und planarer Orientierung nicht nur bei verschiedenen Streckvorgängen, sondern auch im Verlaufe eines und desselben Streckvorganges erkennen. Der Kratkysche Stäbchenfall wird deshalb in einen Blättchenfall umgedeutet, bei dem infolge fehlender Vernetzung keine Querkräfte auftreten, während der Kratkysche Blättchenfall einer so starken Vernetzung zugeordnet wird, daß Längs- und Querkräfte gleicher Stärke auftreten. Das an einer Reihe technischer Streckvorgänge gewonnene Versuchsmaterial läßt diese beiden Fälle als Orenzfälle erscheinen und die auftretenden Zwischenwerte des Verhältnisses beider Kräfte zwanglos mit dem Vorliegen verschieden starker Vernetzungen (bei verschiedenen Streckprozessen) bzw. verschiedener Verhältnisse der Geschwindigkeit der Orientierung und der Relaxationsfrequenz der Vernetzung (in Verlaufe desselben Streckprozesses) erklären.