Zusammenfassung
Bei der Einwirkung von Cu..-Ionen auf ein zu 90% aus Wasser und zu 10% aus Polyvinylalkohol bestehendes Gel tritt eine Kontraktion und bei nachfolgender Entfernung des Cu.., beispielsweise durch Reduktion mit H2, eine Dilatation auf das ursprüngliche Volumen ein. Bei abwechselnder Zufuhr von Sauerstoff und Wasserstoff kann die Kontraktion und Dilatation beliebig wiederholt werden. Wenn bei der Kontraktion je ein Gewicht gehoben wird, ist eine Verwandlung von chemischer Energie (Redox-Energie) in mechanische Energie mit Hilfe dieses Systems möglich (Redox-Muskel). Dieses System wird mit anderen kontraktilen Systemen verglichen, durch welche andere Formen chemischer Energie in mechanische Energie umgesetzt werden können.
Für die Fähigkeit des Polyvinylakohol-Cu..-Komplexbildungs-Muskels, mechanische Energie aus chemischer Energie zu erzeugen, ist die Eigenschaft entscheidend, daß bei mechanischer Dehnung des durch Cu.. zur Kontraktion gebrachten Fadens eine Abgabe von Cu.. ans Einbettungsmedium, d. h. eine Veränderung des die Bindung des Cu.. an das Gel beherrschenden Gleichgewichtes eintritt. Die bei der mechanischen Dehnung eintretende Änderung der Cu..-Aktivität im Einbettungsmedium wird in quantitative Beziehung gesetzt zumE′-Modul und zu der Menge an Cu.., welche für die Erzeugung einer bestimmten Kontraktur des unbelasteten Gelfadens erforderlich ist (Teinochemische Beziehung). Diese quantitative Beziehung ist für den Cu..-Polyvinylalkohol-Muskel experimentell bestätigt worden. Es wird die Verallgemeinerung auf kompliziertere Systeme angegeben. Schließlich wird gezeigt, daß etwa dieselben Kontrakturen, wie sie bei Einwirkung von Cu.. auf eine Polyvinylalkohol-Folie beobachtet werden, auch bei Einwirkung von Cu.. auf einen natürlichen Muskel, den Muskel des Regenwurms, (lumbricus terrestris) beobachtet werden und daß ferner bei mechanischer Dehnung des durch Cu.. zur Kontraktion gebrachten Regenwurmmuskels eine Erhöhung der Cu..-Ionenaktivität im Einbettungsmedium in ähnlichem Maße, wie es beim Cu..-Polyvinylalkohol-Muskel beobachtet wurde, festgestellt werden kann. Damit ist die Gültigkeit des teinochemischen Prinzips zum ersten Male (und vorerst in roher Näherung) bei einem natürlichen Muskel nachgewiesen.
Schrifttum
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Kuhn, W. Änderung von chemischen Gleichgewichten und Löslichkeitsgleichgewichten bei mechanischer Dehnung von Gelen. Kolloid-Z.u.Z.Polymere 182, 40–50 (1962). https://doi.org/10.1007/BF01499739
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