Zusammenfassung
Auf Grund unserer Ausführungen können die gerontologischen Beziehungen der gerichtlichen Medizin in den folgenden Punkten zusammengefaßt werden:
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1.
Zur Altersbestimmung eignen sich die Veränderungen der äußeren Weichteile des Kopfes, aber sie lassen nur ganz grobe Schätzungen zu. Einen etwas zuverlässigeren Stützpunkt bietet die Synostose gewisser Suturen auf der Innenfläche des Schädeldaches, da es im Senium erfolgt. Ziemlich verläßlich sind die an der proximalen Epiphyse des Humerus und Femurs sowie des Symphyseos eintretende Veränderungen. Der Angulus mandibulae beträgt bei älteren Personen im allgemeinen 140°, doch findet man bei verschiedenen Individuen ziemlich große Variationen. Die Reduktion des Aschenrückstandes der Knochen im Alter, welche besonders bei Frauen eine ausgeprägte ist, kann als eine der zuverlässigsten Angaben betrachtet werden. Eine weitere verwertbare Angabe wäre die Verkalkung der Knorpel, weiterhin die Abrasionszeichen der Zähne und zum Schluß die zunehmende Nageldicke, welche letzteren jedoch mit viel Umsicht zu verwerten sind.
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2.
Die gerichtlich-medizinische Beurteilung von Verletzungen sowie die Feststellung des Grades der Invalidität geht bei älteren Personen nach ganz besonderen Gesichtspunkten vor sich, da die Reaktionen des veralteten Organismus oft ganz verschieden verlaufen wie in jüngerem Lebensalter.
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3.
Die berufliche Sorgfalt des Arztes bei der Behandlung älterer Patienten fällt besonders im Falle operativer Eingriffe schwer in die Waage. Hier muß er stets die im Alter so häufig eintretenden Komplikationen im Auge halten und sich vor einem schematisierten Vorgehen hüten.
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4.
Genetische Fragen betreffend, ist es zu betonen, daß wegen der Veränderungen in der Struktur und Funktion der Mundgebilde bei älteren Individuen der Vaterschaftsnachweis auf viel größere Schwierigkeiten stößt, als wenn man den Vergleich bei Jüngeren ausführt.
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5.
Die mit der Geistesschwäche älterer Personen zusammenhängenden forensischen Fragen fallen ins Gebiet der gerichtlichen Psychiatrie.
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Nach einem Vortrag auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche und soziale Medizin vom 12.–15. Oktober 1960 in Graz.
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Schranz, D. Die gerontologischen Beziehungen in der gerichtlichen Medizin. Dtsch. Z. ges. gerichtl. Med. 51, 161–172 (1961). https://doi.org/10.1007/BF01383285
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