Zusammenfassung
Die Arbeit stellt methodisch im wesentlichen eine Wiederholung der Transplantationsversuche vonGoerttler dar (1927 a, b), dessen Versuchsanbrdnung darin bestand, daß aus der frühen Gastrula von Urodelen ein Stück der seitlichen präsumptiven Medullarplatte oder der seitlichen präsumptiven Epidermis homöoplastisch in bestimmter „günstiger“ oder „ungünstiger“ Orientierung auf die Seite einer Neurula oder älterer Keime verpflanzt wurde. Methodisch hinzu kommen in dieser Arbeit (S. 594) die vorherige Vitalfärbung der meisten Spenderkeime, die Entnahme der Ektodermstücke nicht nur aus seitlichen, sondern auch aus medianen Bezirken und die Markierung der Entnahmestelle durch das aus dem Wirt stammende Epidermisstück, die Ausdehnung der Versuche auf noch ältere Wirtsstadien und auf die xenoplastische Kombination von Triton mit Amblystoma und endlich die Aufzucht der meisten Wirtskeime bis zur cytologischen Differenzierung der Transplantate.
Es wird gezeigt, daß eine Differenzierung der präsumptiven Medullarplatte zu Medullarplatte und zu Neuralrohr nicht nur bei „günstiger“ Orientierung in der Neurula erfolgt (S. 596, BestätigungGoerttlers), sondern, im Widerspruch zu den AngabenGoerttlers, in etwa demselben Prozentsatz der Fälle auch bei „ungünstiger“ Orientierung (S. 598) und bei der Verwendung älterer Wirtskeime (S. 601). Auch bei der Transplantation von präsumptiver Epidermis verschiedener Herkunft auf dieselben seitlichen Bezirke der Neurula (S. 603) oder auf ältere Keime (S. 606) erhält man in unverminderter Häufigkeit medullare Differenzierung.
Daraus folgt, daß weder die Orientierung der Transplantate, noch die prospektive Bedeutung des Ektoderms, noch die hier verwandten verschiedenen Wirtsstadien einen Einfluß auf die Häufigkeit einer medullaren Differenzierung der Transplantate haben. Das Gastrulaektoderm verhält sich im Hinblick auf die Potenz zur Neurahrohrbildung in allen seinen Bezirken übereinstimmend. Damit ist die Untauglichkeit der Versuchsanordnung zur Prüfung des Selbstdifferenzierungsvermögens von Gastrulaektoderm erwiesen. Die medullare Differenzierung ist in allen Fällen auf Induktionseinflüsse des Wirtes, speziell des dorsolateralen Mesoderms zurückzuführen. Eine herkunftsgemäße Gestaltungsbewegung (dynamische Determination) ist an den Implantaten weder nachweisbar, noch ließen sich durch ihr etwaiges Vorhandensein obige Befunde erklären.
Literaturverzeichnis
Bautzmann, H.: Experimentelle Untersuchungen zur Abgrenzung des Organisationszentrums bei Triton taeniatus. Roux' Arch.108 (1926).
—: Experimentelle Untersuchungen über die Induktionsfähigkeit von Chorda und Mesoderm bei Triton. Roux' Arch.114, 177–225 (1928).
—: Über Induktion durch vordere und hintere Chorda der Neurula in verschiedenen Regionen des Wirtes. Roux' Arch.119, 1–46 (1929).
Bytinski-Salz, H.: Untersuchungen über die Induktionsfähigkeit der hinteren Medullarplattenbezirke. Roux' Arch.123 (1931).
Erdmann, W.: Über das Selbstdifferenzierungsvermögen von Amphibienkeimteilen bekannter prospektiver Bedeutung im Explantat. Roux' Arch.124 (1931).
Geinitz, B.: Embryonale Transplantation zwischen Urodelen und Anuren. Roux' Arch.106 (1925).
Goerttler, K.: Die Formbildung der Medullaranlage bei Urodelen. Roux' Arch.106 (1925).
- Experimentell erzeugte „Spina bifida“ und „Ringembryonenbildungen“ und ihre Bedeutung für die Entwicklungsphysiologie des Urodeleneies. Z. Anat.80 (1926).
—: Die Bedeutung der Formbildungsvorgänge am undifferenzierten Urodelenkeim für die Entstehung des Medullarmaterials. Verh. anat. Ges., 36. Versig Kiel63, 75–80 (1927a).
—: Die Bedeutung gestaltender Bewegungsvorgänge beim Differenzierungsgeschehen. Roux' Arch.112, 517 (1927b).
Holtfreter, J.: Über die Aufzucht isolierter Teile des Amphibienkeimes. I. Methode einer Gewebezüchtung in vivo. Roux' Arch.117 (1929a).
- Über histologische Differenzierungen von isoliertem Material jüngster Amphibienkeime. Verh. dtsch. zool. Ges.1929b, 174.
—: Über die Aufzucht isolierter Teile des Amphibienkeims. II. Züchtung von Keimen und Keimteilen in Salzlösung. Roux' Arch.124, 404–466 (1931a).
- Potenzprüfungen am Amphibienkeim mit Hilfe der Isolationsmethode. Verh. dtsch. zool. Ges.1931b, 158–166.
Lehmann, F. E.: Die Entwicklung des Anlagemusters im Ektoderm der Triton-Gastrula. Roux' Arch.117, 312–383 (1929).
Mangold, O.: Das Determinationsproblem. I. Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Seitenlinie unter spezieller Berücksichtigung der Amphibien. Erg. Biol.3, 152–227 (1928).
Marx, A.: Experimentelle Untersuchungen zur Frage der Determination der Medullarplatte. Roux' Arch.105, 20–44 (1925).
Röhlich, K.: Gestaltungsbewegungen der präsumptiven Epidermis während der Neurulation und Kopfbildung bei Triton taeniatus. Roux' Arch.124 (1931).
Spemann, H.: Über die Determination der ersten Organanlagen der Amphibien-embryonen I–VI. Arch. Entw.mechan.43, 448–535 (1918).
—: Mikrochirurgische Operationstechnik. Handbuch biologischer Arbeitsmethoden, Bd. s3, 5. Teil, S. 1–30. 1921a.
Spemann, H. u.B. Geinitz: Über Weckung organisatorischer Fähigkeiten durch Verpflanzung in organisatorische Umgebung. Roux' Arch.109, 129–175 (1927).
Vogt, W.: Morphologische und physiologische Fragen der Primitiv-entwicklung, Versuche zu ihrer Lösung mittels vitaler Farbmarkierung. Sitzgsber. Ges. Morph. u. Physiol. Münch.35 (1923/24).
- Gestaltungsanalyse am Amphibienkeim mit örtlicher Vitalfärbung. Teil I: Methodik und Wirkungsweise der örtlichen Vitalfärbung mit Agar als Farbträger. Roux' Arch.106 (1925).
Woerdeman, M. W.: Versuche zur Verringerung der Sterblichkeit nach mikrochirurgischen Eingriffen an Amphibienkeimen. Roux' Arch.121, 524 (1930).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Holtfreter, J. Nicht typische Gestaltungsbewegungen, sondern Induktionsvorgänge bedingen medullare Entwicklung von Gastrulaektoderm. W. Roux' Archiv f. Entwicklungsmechanik 127, 591–618 (1933). https://doi.org/10.1007/BF01380475
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF01380475