Schluß
Man siebt, daß die Gittertheorie mit dein einfachsten Ansatz für die Atomkräfte, nämlich mit Zentralkräften, die formalen Gesetze der Lichtfortpflanzung in optisch aktiven Kristallen ohne neue Hypothesen abzuleiten erlaubt. Die Absorption ist dabei vernachlässigt worden, weil eine rationelle Theorie der Energiedissipation in Kristallen noch nicht existiert. Wichtiger als die Ableitung der bekannten formalen Gesetze wäre eine numerische Berechnung der Gyrationsparameter aus der Gitterstruktur. Dazu gehört weiter nichts als die Kenntnis der zweiten Ableitungen der elementaren Potentiale ϕ k k′ (r), also der Größen (ϕ kk′ l ) x y . Diese bestehen aus zwei Anteilen, einem Teil, der von den interatomistischen Wechselwirkungen herrührt, und einem Teil, der auf der elektromagnetischen Zustrahlung der anderen Atome des Gitters beruht. Der letztere Anteil ist nach den von P. P. Ewald1) und mir 2) ausgearbeiteten Methoden vollständig faßbar; Ewald selbst hat ihn für gewisse Gitter von rhombischer Symmetrie berechnet und daraus die Doppelbrechung als reine Strukturwirkung des Gitters abzuleiten gesucht, indem er die interatomaren Kräfte durch isotrope quasielastische Bindungen ersetzte. In ähnlicher Weise kann man nun versuchen, auch die Gyration zu berechnen; ja, es scheint, daß dies bei gewissen Kristallen, wie NaClO3, NaBrO3 aussichtsvoller ist als die Berechnung der Doppelbrechung. Diese braucht nämlich nicht nur von der Struktur des Gitters herzurühren; vielmehr werden bei einem nicht regulären Gitter bereits die einzelnen Bausteine, Atome oder Molekeln, anisotrop sein und unmittelbar zur Doppelbrechung. einen Beitrag liefern. Die genannten aktiven Kristalle aber sind regulär, also optisch isotrop, und die Substanzen verlieren im gelösten Znstande das Drehungsvermögen vollständig; daraus geht hervor, daß hier die Aktivität eine reine Struktureigenschaft des Gitters und daher der Berechnung zugänglich ist.
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Born, M. Über die natürliche optische Aktivität der Kristalle. Z. Physik 8, 390–417 (1922). https://doi.org/10.1007/BF01329609
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