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Überlebens- und Wiederbelebenszeiten des Gehirns bei Anoxie

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Zusammenfassung

  1. 1.

    Unter Beobachtung der bioelektrischen Reaktionsfähigkeit werden Überlebens- und Wiederbelebenszeiten des Gehirns bei lokaler und allgemeiner Blausäurevergiftung, bei Abklemmung der Gehirngefäße und zum Teil auch bei Hypoxie gemessen.

  2. 2.

    Bei lokaler Blausäurevergiftung in hohen Dosen verschwand eine erkennbare bioelektrische Reaktion der Hirnrinde auf Sinnesreiz in 4–8 Sek.; bei intravenöser Injektion nach einem freien Intervall von etwa 3 Sek. in 5–10 Sek. Bei plötzlicher Abklemmung der Gehirngefäße waren die Aktionsströme auf Sinnesreiz erst in 25–35 Sek. völlig verschwunden, nach einer Latenz unbeeinflußter Hirnrindentätigkeit von 4–6 Sek. Es wird aus diesen Versuchen abgeleitet; daß beiplötzlicher Anoxie die Überlebenszeit der Hirnrinde nicht Null ist, sondern einige wenige Sekunden betragen kann.

  3. 3.

    Sichere lokalisatorische Unterschiede im Verschwinden des letzten Restes an Reaktionsfähigkeit auf Augenbelichtung ließen sich bei einem Vergleich von Area striata, Corpus geniculatum lat. und vorderen Vierhügeln nicht feststellen, wenn die Gehirngefäße plötzlich gedrosselt wurden oder bei N2-Atmung es innerhalb von 20–40 Sek. zum Atemstillstand kam. Die Reaktionsfähigkeit in diesen Gebieten verschwand erst nach Atemstillstand. Bei langdauernder, aber immer sehr schwerer Hypoxämie (Atmung eines O2-N2-Gemisches) verschwand hingegen die Reaktionsfähigkeit der Hirnrinde schon vor Eintritt des Atemstillstandes und vor Verlust der Reaktionsfähigkeit im Corpus genicul. lat. und vorderen Vierhügeln. Es wird geschlossen, daß in diesen Versuchen die Hirnrinde kreislaufmäßig schlechter gestellt ist und daß an sich lokalisatorische Unterschiede in den Überlebenszeiten bei Anoxie nicht erfaßt werden können, da die Überlebenszeit von vornherein sehr kurz ist.

  4. 4.

    Eine Erholung der Hirnrindenfunktion von völliger Lähmung ist bei lokaler Blausäurevergiftung in gewissem Maße selbst dann noch möglich, wenn die Blausäure etwa 40 Min. eingewirkt hatte. Es wurden dabei Blausäurekonzentrationen verwandt, mit denen eine maximale Hemmung der cyanempfindlichen Atmung erzielt zu werden schien. Bei Abklemmung der großen Gehirnarterien ist hingegen ein totaler irreversibler Funktionsverlust der Hirnrinde schon dann eingetreten, wenn für etwa 20 Min. die Durchblutung gedrosselt war. Dieser Unterschied in den Wiederbelebenszeiten, je nach den genannten Versuchsanordnungen, wird vorwiegend darauf zurückgeführt, daß sich bei Abklemmung der Gehirnarterien zur Anoxie noch Schädigungen durch stärkere Anreicherung von Stoffwechselprodukten und durch mangelnde Zufuhr aller Nährstoffe addieren.

  5. 5.

    Bei Anwendunggeringer Blausäurekonzentrationen zur lokalen Vergiftung kann einvölliger Funktionsverlust der Hirnrinde auch nach mehr als 60 Min. langer Gifteinwirkung vollkommen reversibel sein. Es scheint, daß in diesen Fällen trotz Lähmung der Tätigkeit eine völlige Anoxie nicht erzielt wurde, so daß ein oxydativer Grundstoffwechsel zur Erhaltung der Substanz möglich war. Es wird aus diesem Befund weiter geschlossen, daß die Überlebenszeit bei Anoxie abhängig ist von der Geschwindigkeit, mit der die Anoxie gesetzt wird.

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Noell, W. Überlebens- und Wiederbelebenszeiten des Gehirns bei Anoxie. Arch. F. Psychiatr. U. Z. Neur. 180, 687–712 (1948). https://doi.org/10.1007/BF01066439

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