Zusammenfassung
Der Stoffaustausch zwischen dem ZNS und dem übrigen Körper erfolgt sowohl vom Blut über den Liquor, wie vom Blut direkt zum Nervenparenchym, wobei im 1. Falle die Blut-Liquorschranke und die sogenannte Liquor-Hirnschranke, im 2. Falle die Blut-Hirnschranke passiert werden muß. Auf Grund eigener Untersuchungen und Berichten aus der einschlägigen Literatur werden die speziellen Probleme der verschiedenen Schrankenfunktionen erläutert, wobei vor allem versucht wird, die Frage zu klären, ob den Schrankenmechanismen eineSonderstellung gegenüber den im Organismus obligaten Permeabilitätsverhältnissen zukommt oder ob die Schrankenfunktionen lediglich den allgemeinen Permeabilitätsproblemen entsprechen. Die Funktion der BlutLiquorschranke wurde mittels eines von uns entwickelten absolutcolorimetrischen Verfahrens geprüft. Infolge ihrer Unbeeinflußbarkeit durch Effekte, wie gesteigerte Hirndurchblutung und Elektroschock müssen wir einaußerordentliches Ausgleichsvermögen dieser Schranke annehmen, die wir deneigenregulatorischen Fähigkeiten ihrer selektiven Organfunktion zuschreiben. Dagegen weisen die Vorgänge des Stoffübertritts vom Liquor in das Nervenparenchym nicht die Merkmale eines Eigenregulationsmechanismus auf, sondern folgen weitgehend physikalischen Gesetzen und vor allem den Prinzipien der gerichteten Permeabilität. Wir sprechen demnach nicht von einer Liquor-Hirnschranke, sondern von einerLiquorHirnpassage, welche nicht einenprinzipiellen, sondern lediglich einengraduellen Unterschied zur Allgerneinpermeabilität besitzt. Eigene Beobachtungen und Untersuchungen über die Möglichkeit des Eindringens von in den Liquorraum eingeführten Medikamenten in das Nervenparenchym werden mitgeteilt. Diese scheint vor allem von den physikalischen Eigenschaften der eingebrachten Substanz abhängig zu sein.
Bezüglich der Blut-Hirnschranke wird die Auffassung vertreten, daß sich zwei Teilfunktionen, und zwar einegenerelle Schranke für die Organselektion und einedifferente für die Zellselektion zu einerkomplexen Schrankenfunktion verbinden und ergänzen. Ihre spezifischen Durchlässigkeitsvorgänge werden zweifellos von einem eigenen Regulationsmechanismus bestimmt.
Durch die eigengesetzliche Permeabilität einer intakten Blut-Hirnbzw. Blut-Liquorschranke erscheinen die nervösen Zentralorgane ausreichend gegen die Passage schädigender Substanzen abgesichert. Damit ist die Annahme einerSonderstellung der Schrankenpermeabilität begründet, welche durchaus den hochdifferenzierten Leistungen des ZNS entspricht und die seinen besonderen Stoffwechselanforderungen gerecht zu werden vermag.
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Eichhorn, O., Grinschgl, G. & De Reya, N.M. Über die Schrankenprobleme des Zentralnervensystems. Arch. F. Psychiatr. U. Z. Neur. 188, 274–288 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00947045
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