Zusammenfassung
Bei 60 Operationsverläufen wurde die Thrombocytenfunktion mit der von J.Jürgens angegebenen „Rotations-Thrombelastographie“ untersucht.
Es fand sich neben einer initialen Zunahme der Haft- und Zerfallsneigung während der Operation zunächst eine Verringerung der Haftneigung während der ersten postoperativen Tage, die mit der bekannten Abnahme der Thrombocytenzahl parallel lief. Etwa vom 5. Tag an nahm die Haftneigung der Plättchen wieder zu, um etwa am 10. Tag ein Maximum zu erreichen. Normale Werte waren erst wieder nach dem 14. Tag post operationem nachzuweisen.
Da abnorme plasmatische Gerinnungsreaktionen im wesentlichen auf den Operationstag beschränkt sind, muß die Veränderung der Haft- und Zerfallsneigung der Thrombocyten nach der Operation als ein sehr wesentlicher thrombosebegünstigender Faktor angesehen werden, zumal sie mit dem bekannten Thrombosegipfel in großen Emboliestatistiken zusammenfällt.
Die Veränderungen der Thrombocytenfunktion sind offenbar wie die Veränderungen der Thrombocytenzahl ein Teil des generellen Adaptationssyndroms, da sie mit den bekannten Veränderungen des Blutbildes parallel laufen und durch Nebennierenhormone beeinflußbar sind.
Diese Auffassung erleichtert die Vorstellung von der Thromboembolie als Regulationskrankheit, da offenbar überschießende Anpassungsreaktionen das gerinnungsphysiologische Gleichgewicht stören und eine Embolie auslösen können.
Die Verwendung der Thrombocytenfunktionsprüfung als Test zur Früherkennung der Thrombose, die sich bei internistischen Thrombosen als brauchbar erwiesen hat, eignet sich für die Früherkennung der postoperativen Thrombose nicht, da auch normalerweise zu verschiedenen Zeitpunkten des postoperativen Verlaufs eine abnorme Haft- und Zerfallsneigung der Plättchen nachweisbar ist, ohne daß es zur Thrombose kommt.
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Herrn Geheimrat Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. W.Stoeckel in Verehrung zum 90. Geburtstag gewidmet.
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Wille, P. Untersuchungen über die Veränderung der Haft- und Zerfallsneigung der Thrombocyten nach gynäkologischen Operationen. Arch. Gynak. 196, 254–265 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00669430
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