Zusammenfassung
Zusammenfassend läßt sich der Grundsatz ableiten, daß sich die laufende Auswertung des jeweiligen Knochenmaterials und des vorliegenden Gebißbefundes zur Altersbestimmung niemals auf das chronologische, d. h. tatsächlich erlebte, sondern immer nur auf das physiologische Alter beziehen darf, und daß diese beiden Lebensstufen häufig nicht übereinstimmen.
Zur Bestimmung des Alters müssen je mehr Merkmale verwertet werden. Von der Geburt bis zur Pubertät liefern die bekannten, in den verschiedensten Knochen erscheinenden Knochenkerne und der Zahndurchbruch verläßliche Daten zur Altersbestimmung. Bald nach der Pubertät wird die Wachstumsperiode der Knochen abgeschlossen, trotzdem gehen an vielen Knochen während des Lebens solche Prozesse vonstatten, welche zur Altersbestimmung genügend sichere Unterlagen liefern. Die neueren Untersuchungen lassen erkennen, daß die Bedeutung des Gebisses und der Nähte des Schädels zur Altersbestimmung im mittleren und höheren Lebensalter erst dann in den Vordergrund rückt, wenn einzig und allein der Kopf zur Untersuchung gegenwärtig ist. Bedeutend verläßlichere und auch viel zahlreichere Angaben können durch das Studium des Humerus, der Symphyse und des Femur gewonnen werden. Die nach jeder Richtung hin erforschten Merkmale müssen zusammengestellt werden, nach einem jeden Kennzeichen muß das Alter beurteilt und schließlich muß der Mittelwert der Einzelergebnisse berechnet werden. Dieser Mittelwert, falls er sich auf eine genügend große Zahl von Einzelergebnissen stützt, kann als zuverlässigste Wahrscheinlichkeitsannahme für das physiologische Lebensalter betrachtet werden. Je weniger Knochen uns zur Verfügung stehen, desto lückenhafter sind die jeweiligen Angaben, so daß wir nur sehr grobe und unzuverlässige Altersschätzungen vornehmen können. In solchen Fällen genügt eine ausschließlich tabellarische Diagnostik meist nicht, sondern es müssen die äußeren und inneren Knochenbefunde der oben erwähnten Forscher gleichfalls berücksichtigt werden. Aus der gewissenhaften Beschreibung der alternden Knochen können wir wertvolle Merkmale, häufig schon auf Grund der Untersuchung eines einzigen Knochens, zur Erhaltung einer sicheren Altersdiagnose bekommen.
Literatur
Baume, R.: Die Defecte der harten Zahnsubstanzen. Leipzig: Artur Felix 1882.
Berndt, H.: Entwicklung einer röntgenologischen Altersbestimmung am proximalen Humerusende. Z. ges. inn. Med.2, 122 (1947).
Broca, P.: Bull. Soc. Anthrop.2, 139 (1861).
Brooks, S. T.: Amer. J. phys. Anthrop.13, 567 (1955).
Bruno, G.: Über senile Strukturveränderungen der proximalen Humerusepiphyse. Fortschr. Röntgenstr.50, 287 (1934).
Cattaneo, I.: Die Schädelnähte bei der Altersbestimmung. Arch. Med. leg.6, 483 (1936).
Cobb, W. M.: Im Old Age in the Modern World. London: Livingstone 1955.
Grüner, O.: Dtsch. Z. ges. gerichtl. Med.41, 147, (1952).
Hansen, G.: Die Altersbestimmung am proximalen Humerus- und Femurende. Wiss. Z. Humboldt-Univ. Berlin3, 1, 73 (1953/54).
Jacqueline, F. u.P. Veraguth: Revue de Rhumatism.21, 237, (1954).
Krogman, W. M.: The human skeleton in legal medicine. Im Lewinson Symposium. London-Philadelphia-Montreal: J. B. Lipincott Company 1949.
Mathis, H., Clementschitsch: Bericht über eine Untersuchung an Zähnen und Kiefer der prähistorischen, historischen und gegenwärtigen Bevölkerung im Gebiete des Gaues Niederdonau. Z. Stomat.37, 1740 (1939).
Merkel, Fr.: Betrachtungen über das Os femoris. Virchows Arch. path. Anat.59, 237 (1874).
Meyer, H.: Die Architektur der Spongiosa. Arch. Anat. Physiol. 615 (1867).
Mueller, B.: Gerichtliche Medizin. Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer 1953.
Respinger, H.: Die Zahnusuren, ihre Ursachen und Folgen. Schweiz. Vjschr. Zahnheilk.7, 47 (1897).
Schranz, D.: Der Oberarmknochen und seine gerichtlich-medizinische Bedeutung. Dtsch. Z. ges. gerichtl. Med.22, 332 (1933).
Singer, R.: J. forensic Med.1, 52 (1953).
Stewart, T. D.: Amer. J. phys. Anthrop.15, 9 (1957).
Todd, T. W., andT. W. Todd-Lyon: InStewart-Trotter, Basic reading on the identification of human skeleton. Estimation of age. Wenner-Gren Foundation. New York 1954.
Vallois, H.: La durée de la vie chez l'homme fossile. L'anthropologie47, 499 (1937).
Wachholz, L.: Über die Altersbestimmung an Leichen auf Grund des Ossifications-prozesses im oberen Humerusende. Bl. gerichtl. Med.45, 210 (1894).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Schranz, D. Kritik der Auswertung der Altersbestimmungsmerkmale von Zähnen und Knochen. Dtsch. Z. ges. gerichtl. Med. 48, 562–575 (1959). https://doi.org/10.1007/BF00664575
Received:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF00664575