Zusammenfassung
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1.
Im Rahmen von Untersuchungen über die Aktivität der Neurone des Rhombencephalons beim vestibulären Nystagmus wurden Elemente gefunden, welche nur einelockere Koppelung zum Nystagmus erkennen lassen.
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2.
Diese Neurone sind zugleich durch akustische und sensible Reize sowie durch spontane Erregungen des Tieres beeinflußbar und erweisen sich damit als abhängig vom ascendierenden reticulären System des Hirnstamms (Moruzzi, Magoun 1949).
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3.
Der Einfluß des Nystagmus ist derart, daßEinheiten, welche durch die arousal aktiviert werden, durch die rasche Phase des Nystagmus eine zusätzliche Frequenzsteigerung, die im Zuge der arousal gehemmten Einheiten hingegen eine Hemmung erfahren. Die rasche Phase des Nystagmus hat also den gleichen Effekt wie etwa ein Sinnesreiz, ein Hinweis in der Richtung, daß ihr ein aktives Moment eigen ist.
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4.
Hinsichtlich der zeitlichen Beziehungen zwischen Nystagmus und Aktivitätsänderung ist festzustellen, daß relativ häufig die Nystagmusbedingte Frequenzzunahme der raschen Phase nachfolgt, was darauf hindeutet, daß diese Einheiten erstsekundär durch den nystagmischen Rhythmus beeinflußt werden. Ferner ließ sich zeigen, daßbei geringer Aktivität der Einheit die Latenz zwischen rascher Phase und Aktivierungsbeginn länger ist als bei arousal-bedingter Hebung des Erregungsniveaus.
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5.
Bei einigen Einheiten konnten im Rahmen einer lang anhaltenden arousalreziproke Einflüsse der raschen Phase des Nystagmus auf die Aktivität festgestellt werden: Zunächst bei hoher Entladungsdichte Aktivierung durch den Augenruck, bei abklingender arousal vorübergehend Hemmungseffekte, schließlich bei nur noch unterschwelliger Erregung der Einheit wieder bahnende Einflüsse der raschen Phase. Diese Beispiele zeigen besonders sinnfällig dieBedeutung der Erregungslage für die Reaktion des einzelnen Neurons.
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6.
Nach den vorliegenden Untersuchungen stellt auch dervestibuläre Apparat eine wichtige Afferenz des ascendierenden reticulären Systems dar. Akustische, sensible und zentral-vestibuläre Einflüsse können auf die gleiche Einheit des ascendierenden reticulären Systems konvergieren. Zwischen Vestibularapparat und aktivierendem System besteht dabei eine eigenartige Wechselwirkung, soweit auf Grund der Beobachtungen der nystagmischen Einflüsse vermutet werden darf:Durch die arousal wird a) der Nystagmus und b) die Einheit aktiviert, und die rasche Phase wirkt ihrerseits auf die Aktivität der Einheit zusätzlich verstärkend.
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7.
Lokalisiert sind die Einheiten mit den beschriebenen Eigenschaften an verschiedenen Stellen des Rautenhirnquerschnitts, in der medialen Reticularis nicht nur ventral, sondern auch dorsal sowie auch im Vestibulariskerngebiet selbst.
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Düensing, F., Schaefer, K.P. Die „locker gekoppelten“ Neurone der Formatio reticularis des Rhombencephalons beim vestibulären Nystagmus. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 196, 402–420 (1957). https://doi.org/10.1007/BF00625752
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