Zusammenfassung
Der Discus articularis des Kiefergelenkes, der medial, lateral und vorne mit der Gelenkkapsel verwachsen ist, löst sich nach hinten zu in ein bindegewebiges, reichlich elastische Fasern enthaltendes Balkenwerk auf, das den Gelenkraum dorsal begrenzt und nur durch ein synoviales Häutchen von ihm geschieden ist. Eine eigentliche fibröse hintere Gelenkkapselwand des Kiefergelenkes gibt es somit nicht. Diese Tatsache muß bei der Behandlung das Kiefergelenk betreffender mechanischer Probleme in Rechnung gezogen werden. In die Maschen des genannten Balkenwerkes finden sich neben Fettzellen reichlich Blutgefäße eingelagert, insbesondere ein dichtes venöses Geflecht. Die Venen zeigen meist sehr dünne Wände, an gewissen Stellen sind jedoch umschriebene Wandverdickungen feststellbar, die durch Einlagerung glatter Muskulatur zustande kommen und als Sperrvorrichtungen zu werten sind. Auch Sperrarterien lassen sich in größerer Zahl feststellen. Vermöge dieser Einrichtungen ist die hinter dem Kiefergelenk gelegene Gewebsformation in die Lage versetzt, durch entsprechende Regelung von Blutzufuhr und Blutabfuhr anzuschwellen bzw. abzuschwellen. Auf diese Regelung wirkt sich jedoch auch der beim Vortreten des Unterkieferköpfchens hinter dem Kiefergelenk auftretende Sog aus. Die morphologischen Voraussetzungen eines plastischen Polsters scheinen hier somit erfüllt zu sein, weshalb auch die ganze Bildung, ihrer Lage Rechnung tragend, als “retroarticuläres plastisches Polster” bezeichnet wurde. In das Gewebe des retroarticulären Polsters sind reichlich Nervenfasern eingelagert. An gewissen Stellen finden sich von Synovialiszellen ausgekleidete mehr minder unterteilte Buchten die mit dem Gelenkraum in Verbindung stehen. Ihnen kommt möglicherweise eine Bedeutung bei der Bildung der Synovia zu.
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Zenker, W. Das retroarticuläre plastische Polster des Kiefergelenkes und seine mechanische Bedeutung. Z. Anat. Entwickl. Gesch. 119, 375–388 (1956). https://doi.org/10.1007/BF00522695
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