Zusammenfassung
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1.
Die Laborhaltung und Züchtung von Bruchidius obtectus Say ist erprobt und beschrieben worden, ebenso die Methoden zur genauen Untersuchung der Entwicklungsgeschichte im 0,7 mm langen Ei.
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2.
Nur die Vorn-hinten-Polarität ist durch die äußere Form des Eies und innerlich durch eine stark basophile Substanz am Hinterpol sowie eine um den Vorderpol verstärkte Ektoplasmaschicht gekennzeichnet. Das Ei ist plasmareich, aber nicht dotterarm. Das Richtungsplasma bei 62% Eilänge kann eine kurze Zeit lang als Marke für die dorsale Eiseite dienen. Die Strukturelemente des Dotter-Entoplasmasystems lassen keinen Gradienten ihrer Verteilung im Ei und keinen strukturell ausgezeichneten Eibereich erkennen. Im Laufe der Entwicklung nimmt der Ektoplasmabelag an Dicke zu; Dotterkörper und Fettvakuolen werden größer, und die Hinterpolsubstanz wird vermehrt.
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3.
Die intravitelline Furchung beginnt im Bereich bei 70% der Ei;änge und verläuft synchron. Die Energiden ordnen sick in einer Sphäre an, die sogleich der Eiform entspricht; sie wandern nach dem achten Teilungsschritt gleichzeitig in das Ektoplasma ein. Einige nehmen die basophile Substanz auf und werden zu Polzellen. Der Teilungszeitpunkt von Polzellen und Vitellophagen stimmt nicht mit dem der Blastodermkerne überein, die nach jedem der insgesamt fünf, durch längere Ruhepausen unterbrochenen Mitoseprozesse, ein Epithel aus immer kleineren Zellen aufbauen, das überall gleichmäßig dick ist. Sämtliche Blastodermkerne teilen rich gleichzeitig, aber nicht streng synchron. Die verschiedensten Teilungsstadien sind anscheinend wahllos über alle Eibereiche verteilt.
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4.
Die dorsalen Blastodermzellen flachen sich ab, wdhrend sich die lateralen verdicken und so die Seitenbänder der Vorkeimanlage bilden. Diese reicht von Pol zu Pol. Die Seitenplatten wandern zuerst vor der Eimitte zur ventralen Keimanlage zusammen. Im hinteren Eidrittel bleibt sie scheinbar zweigeteilt, weil dort eine Rückwärtsstreckung dem ventralen Zusammenschluß der Lateralbänder entgegenwirkt oder vor diesem einsetzt.
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5.
Bei 70% der Eilänge haben der Schichtenbau, die Segmentierung und die segmentale Organbildung einen Entwicklungsvorsprung und pflanzen sich von dort aus nach hinten and vorn fort. Ob dieser mit dem Mandibelsegment des Keimstreifs zusammenfallende Initialbereich der Differenzierung schon in den früheren Entwicklungsphasen an dieser Eistelle liegt oder weiter hinten, ist ein ungelbstes Problem.
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6.
Die Segmente werden proportioniert angelegt, nur die letzten des Abdomens erscheinen proliferativ. Während sich das Keimhinterende dorsal krümmt und nach vorn drängt, werden die Embryonalhüllen und die ventralen Organe gebildet.
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7.
Der Keim sinkt nicht in den Dotter ein, sondern bleibt an der Oberfläche. Jedoch zeigen polare Dotterkontraktionen, starkes Auseinanderweichen der Tochterkerne, Formwechsel des Polplasmas und der Dotterund Fettsubstanzen, Keimanlagenbildung und Streckung des Keimstreifs bedeutungsvolle Gestaltungsbewegungen an.
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8.
Mit dem Ablauf der histologischen Differenzierung, die nicht eingehend untersucht worden ist, verkürzt sich der Embryo und schließt seinen Rücken. Nach einer Entwicklungszeit von neun Tagen (20 ± 1° C, Luftfeuchtigkeit ca. 70%) schlüpft die beborstete Larve.
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9.
Ei-Architektur, Differenzierungsgeschehen und Gestaltungsbewegungen im Ei verschiedener Käfer und beispielhafter Vertreter anderer Insektenordnungen werden verglichen. Bruchidius steht dem Langkeimtypus nahe, der bei Käfern häufig anzutreffen ist und rich als nicht oder nur begrenzt regulationsfähig erwiesen hat. Experimentelle Untersuchungen an Bruchidius müssen zeigen, ob Entwicklungsbedingungen einem Furchungszentrum bei 70% der Eilänge und einem eventuell dahinter liegenden Differenzierungszentrum zugeordnet werden können und welche anderen Eibereiche für die ooplasmatischen und blastematischen Reaktionen unentbehrlich sind.
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I. Teil einer Dissertation, Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg, 1964.
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Jung, E. Untersuchungen am ei des speisebohnenkäfers bruchidiusobtectus say (coleoptera). Z. Morph. u. Okol. Tiere 56, 444–480 (1966). https://doi.org/10.1007/BF00442293
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