Zusammenfassung
Vergleicht man imbezille Kinder, die „nicht bildungsfähig“ sind, aufgrund ihres Intelligenzalters (nicht ihres Lebensalters!) mit geistig normalen Kindern, so ist bei einer denkbar einfachen Wetteifertätigkeit der gleiche Entwicklungsverlauf leistungsmotivierten Erlebens und Verhaltens zu beobachten.
Sobald die kognitive Struktur des Früher -oder Späterfertigwerdens erfaßt werden kann — was spätestens von einem Intelligenzalter von 3;6 Jahren ab der Fall ist —, wetteifern erstens imbezille wie normale Kinder, zeigen sie zweitens charakteristischen Erfolgs- und Mißerfolgsausdruck mit seinen alterstypischen Veränderungen, sowie drittens einen entwicklungstypischen Wandel a) in den Versuchen zur Bewältigung von Mißerfolg und leistungsthematischen Konflikten und b) in zunehmender Konflikthaftigkeit und realistischerer Beurteilung bei der Vorhersage des eigenen Erfolges. Lediglich in der Ausdauer beim Wetteifern sind die nach Lebensalter älteren Schwachsinnigen den geistig Normalen überlegen, was mit gewissen Voraussagen Lewins übereinstimmt.
Die Befunde unterstreichen, daß nicht ein „affektiver“ oder ein körperlich-biologischer, sondern der kognitive Entwicklungsstand entscheidend ist für die Genese der Leistungsmotivation und deren Entwicklungsverlauf. Befunde und Schlußfolgerungen anderer Autoren, die die Fähigkeit des Imbezillen zum Erleben von Erfolg und Mißerfolg in Frage stellen, werden diskutiert.
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Heckhausen, H., Wasna, M. Erfolg und Mißerfolg im Leistungswetteifer des imbezillen Kindes. Psychol. Forsch. 28, 391–421 (1965). https://doi.org/10.1007/BF00421246
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