Zusammenfassung
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1.
Das relative Wachstum des Gehirns und der wichtigsten Hirnteile wurde während der postembryonalen Entwicklung bei Culex pipiens, Drosophila melanogaster und ihren Mutanten “bar” und“eyeless” (ey2) an mit dem Planimeter ausgemessenen Schnitten studiert und mit dem relativen Wachstum bei den hemimetabolen Schaben verglichen.
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2.
Für das Gehirn und alle Hirnteile liegt bei den untersuchten Dipteren die Hauptwachstumszeit in der Puppenperiode. Bei den hemimetabolen Schaben wachsen die Hirnteile gleichmäßiger ohne derart scharfe Allometriewechsel. Das Gehirn von Culex und Drosophila wāchst in der Larvenzeit negativ und in der Puppenzeit stark positiv allometrisch. Die jüngeren Larven haben also relativ größere Gehirne.
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3.
Die bei Culex und Drosophila relativ kleinen Corpora pedunculata wachson in der Larvenzeit negativ, und in der Puppenzeit positiv allometrisch.
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4.
Der relativ große Zentralkörper wächst durchgehend positiv allometrisch. Bei den Dipteren muß ihm deswegen wohl größere Bedeutung beigemessen werden als den Corpora pedunculata. Eine umgekehrte Proportionalität zwischen Zentralkörper und Corpora-pedunculata-Wachstum ist deutlich.
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5.
Die Antennalglomeruli sind bereits am Anfang der Larvenzeit relativ groß ausgebildete Hirnteile. Sie wachsen dann in der Larvenzeit negativ allometrisch. Das Hauptwachstum liegt in der Puppenperiode.
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6.
Unterschiede zwischen Culex pipiens und Drosophila melanogaster zeigen sick hauptsächlich in der Entwicklung der optischen Ganglien. Bei Culex sind sie bereits für die Larve von Bedeutung und zeigen deshalb auch am Anfang der Entwicklung eine zusätzliche Hauptwachstumsphase. Bei Drosophila entwickeln sich die Lobi optici erst im 2. Larvenstadium und haben ihr Hauptwachstum am Anfang der Puppenperiode. Der bei Drosophila für Wachstumsänderungen wichtige Zeitpunkt der Kopfausstülpung der Puppe fehlt bei Culex. Für viele Hirnteile beginnt bei Culex das Hauptwachstum schon früher als bei Drosophila.
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7.
Mutanten von Drosophila mit reduzierten Augen zeigen auch eine Verringerung der relativen Größe der optischen Ganglien. Bei “eyeless” rind die Lobi optici weiter reduziert als bei “bar”. Die Verkleinerung kommt durch den Ausfall der positiven Wachstumsallometrie in der Puppenzeit zustande. Die Ganglienreduktion wird anscheinend von der Augenimaginalscheibe her beeinflußt.
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8.
Die relative Größe der Corpora pedunculata nimmt parallel der fortschreitenden Augenreduktion ab. Die Unterschiede im Wachstum des Zentralkörpers bei den augenreduzierten Mutanten sind nicht eindeutig auf eine Beeinflussung durch die Augenreduktion zurückzuführen. Die relative Größe der Antennalglomeruli nimmt mit Zunahme der Augenreduktion ab; außerdem verschiebt sich der Zeitpunkt des Allometriewechsels.
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Hinke, W. Das relative postembryonale wachstum der hirnteile von culex pipiens, drosophila melanogaster und drosophila-mutanten. Z. Morph. u. Okol. Tiere 50, 81–118 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00407351
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF00407351