Zusammenfassung
In Fortführung einer vorangegangenen Studie zur Frage der Lokalisation von bleibenden Hörschäden nach Industrielärmbelastung mit tonalen Geräuschanteilen werden in einer weiteren Arbeit die Frühveranderungen besprochen, die am Haarzellager der Kaninchenschnecke nach Geräuschbelastung mit tonalen Anteilen entstehen. Es wurden insgesamt 15 Tiere 10–80 Std einem gleichen Schleifmaschinen-Geräusch von etwa 105 dB Gesamtpegel ausgesetzt, in welchem die tiefen Frequenzen die Gesamtenergie bestimmten. Nach Abschluß der Beschallungszeiten wurden die Schnecken der sofort getöteten Kaninchen in Formol fixiert, zum größten Teil mikropräpariert und der Rest nach Celloidin-Einbettung in Serie geschnitten. Die Ergebnisse konnten in drei Gruppen eingeteilt werden.
Nach einer Beschallungsdauer bis zu 30 Std (Gruppe 1) zeigen sich in dem. Ansprecbgebiet tiefer Frequenzen von 500 bis etwa 1000 Hz im Bereich der äußeren Haarzellen des Corti-Organs Veränderungen am Kern und am Plasma. Diese Veränderungen finden sich also in Arealen, die Frequenzen zugehören, die1/2−1 Oktave höher sind als die wirksamen Tone von 200 und 500 Hz.
Eine Beschallungsdauer zwischen 30 und 60 Std führt dann zu stärkeren metabolischen Störungen in diesem Bereich. Daneben gesellen sich in dieser Gruppe 2 nach 40 stündiger Beschallung zu den in Gruppe 1 beobachteten Veränderungen Stoffwechselstörungen um 4000 Hz. Es bestehen also an zwei weft voneinander entfernten Stellen des Ductus cochlearis gleichmäßige Überlastungszeichen, die aber nach 60 Std Belärmung im Perzeptionsgebiet 4000 Hz an Ausdehnung und Stärke zunehmen.
Nach einer Beschallungszeit von 80 Std (Gruppe 3) und mehr werden die typischen Dauerschäden im Frequenzansprechgebiet von 4000 Hz an sichtbar, hingegen schwinden die Veränderungen im Ansprechgebiet von 500 Hz. Hier sind nur noch wenige Kerngrößenschwankungen der äußeren Haarzellen zu finden.
Es wird auf die praktische Bedeutung dieser Beobachtung hingewiesen, da die Ergebnisse dafür sprechen, zwischen vorübergehendem Hörschaden, der eine gewisse Frequenzabhängigkeit vom Belastungsschall zeigt, und dem bleibenden Hörschaden, der sich vorzugsweise um 4000 Hz ohne Belastungsfrequenzbezug entwickelt, zu unterscheiden.
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Dieroff, HG., Beck, C. Experimentell-mikroskopische studie zur frage der lokalisation der industrielärmbedingten Hörermüdung und des später resultierenden bleibenden Hörschadens. Archiv klin. exper. Ohren.-, Nasen- und Kehlkopfheilk. 186, 1–8 (1966). https://doi.org/10.1007/BF00401631
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