Zusammenfassung
Die Kausalzusammenhänge zwischen Beruf und Krankheit waren bisher für den Arbeitsmediziner insoweit unproblematisch, als er sich auf diejenigen Erkrankungen beschränkte, an deren charakteristischem Erscheinungsbild wie an deren Zuordnung zu einer typischen Berufsschädigung keine wesentlichen Zweifel bestehen konnten. In den letzten Jahren hat sich die Forschung jedoch zunehmend auf die Verursachungsmöglichkeit von weniger charakteristischen Berufseinwirkungen (Hitze, inerte Stäube, Lärm) und auf allgemeinverbreitete, atypische Erkrankungen (Bronchitis, Emphysem, Lungentumoren, Schwerhörigkeit) verlagert.
Diese neue Problemstellung erjordert zur Bearbeitung eine gewisse Umstellung der Methodik. Insbesondere gewinnt die Statistik als Hilfswissenschaft für den Arbeitsmediziner an Interesse; es ist nötig, daß er rich hiervon ebensoviel Elementarwissen aneignet, als er von anderen (von seinem Standpunkt aus geseben) Hilfswissenschaften besessen hat und besitzt, etwa von Chemie. An Hand von Beispielen konnten wir nachweisen, daß bei wichtigen Fragestellungen wie etwa in der Emphysemforschung bisher schwerwiegende statistisch-methodische Fehler begangen wurden.
Die Möglichkeiten für die statistische Bearbeitung arbeitsmedizinischer Problemstellungen liegen einmal in der Auswertung von bisher nicht oder höchst unvollkommen ausgenutztem “Rohmaterial”. Besonders wertvoll dürften die bei den Staatlichen Gewerbeärzten zusammenlaufenden “Anzeigen über eine Berufskrankheit” sein, die bisher auf Initiative von Wends und Peters nur in Niedersachsen und Düsseldorf nach modernen Methoden dokumentiert und maschinell ausgewertet werden. An Hand von Beispielen erläuterten wir die Forschungsmöglichkeiten auf arbeitsmedizinischem Gebiet, die sich durch neuzeitliche Rechenverfahren und den erst seit einigen Jahren möglichen Einsatz von Großrechenanlagen (Elektronen-Rechenmaschinen) bietet.
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Beckenkamp, H. Möglichkeit und notwendigkeit zur anwendung statistischer verfahren und moderner dokumentationsmethoden in der arbeitsmedizinischen forschung. Int. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg. 19, 546–558 (1962). https://doi.org/10.1007/BF00391680
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