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Eine internationale terminologie zur klassifikation angeborener gliedmaßenfehlbildungen

Empfehlungen einer Arbeitsgruppe der International Society for Prosthetics and Orthotics

An international terminology for the classification of congenital limb deficiencies

Recommendations of a Working Group of the International Society for Prosthetics and Orthotics

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Archives of orthopaedic and traumatic surgery Aims and scope Submit manuscript

Summary

During several meetings of the ISPO, especially in Dundee in 1972 and Montreux in 1974 the members became aware of the confusion existing in the field of the nomenclature of congenital limb deficiencies. They agreed that it was desirable to create a new terminology which could be internationally acceptable. A working group was called into life for this purpose. The new terminology should fulfill the following conditions:

  1. 1.

    It should replace the classifications used up to now.

  2. 2.

    It should be as simple as possible and easy to memorize.

  3. 3.

    The system should be concise and at the same time open enough to classify difficult cases.

  4. 4.

    The terminology should contain only syndromes, which have been observed, it should not include malformations which can be postulated theoretically, but which have never been seen.

  5. 5.

    It should be merely descriptive, avoiding terms which anticipate an etiological interpretation.

  6. 6.

    It should not use traditional terms which are interpreted in different ways in different countries or schools.

  7. 7.

    It should not be based on difficult greek and latin terms, which mean nothing to colleagues from other cultures.

  8. 8.

    It should leave room for already existing “subclassifications” of well defined groups of malformations, which have proved useful in clinical practice.

  9. 9.

    It should use those parts of the extremities most obviously involved—the skeleton. Defects of nerves, muscles, vessels and skin have to be considered secondary. The terminology should be merely descriptive. It has to avoid terms precluding or speculation on the aethiology.

  10. 10.

    The new terminology should be as complete as possible. However, in contrast to some widely accepted systems now in use, it should avoid to force all malformations into one corset or disrupt the continuity of teratological sequences.

  11. 11.

    The terminology should be organized in a way that can be computerized. At the same time it should fit into the international classification of diseases being prepared by the World Health Organization.

Proceeding of the Working Group: The elaboration of the new terminology began with a critical evaluation of the Frantz and O'Rahilly classification. There was immediate consensus how the transverse deficiencies should be classified and named. Difficulties became obvious in the discussion of the longitudinal defects. Using the large clinical material collected by some of the members it could be demonstrated that the group “intercalary deficiencies” does not really exist. Malformations showing absence of proximal or middle parts of an extremity regularly have defects in the periphery, even only minimal ones. The term “intercalary” was therefore abandoned.

A demonstration of the teratological sequences of radial, tibial, ulnar and fibular deficiencies clarified the progressive reduction of the extremity from peripheral defects to complete amelia in these groups and furthermore the patterns followed in this reduction. On this basis, the longitudinal deficiencies were divided into three categories: 1. proximal longitudinal, 2. distal longitudinal, 3. combined longitudinal. (The last category comprises those deficiences, in which both the distal and proximal parts of the extremity are affected.)

The longitudinal defects were then named after the skeletal elements involved. So it becomes obvious whether they are members of the radial-tibial, ulnar fibular or central teratological sequence. The degree of involvement of each bone is described by the terms “complete” (completely absent), “partial” (partially absent) and “hypoplastic”. For the transverse deficiencies it was agreed to name them in the traditional way according to the level of the “amputation”. With this simple armamentum each individual case can be classified unmistakably.

The complete system of the new terminology needs no further explanation when looking at the illustrations. They not only show the three main groups of longitudinal deficiencies and the different teratological sequences, but also the way, in which individual cases are classified. The “amputation” levels of the transverse deficiences are shown along with the teratological sequences of this group.

The discussion proves—we hope successfully—that the conditions the Working Group put up have been fulfilled so far 400 cases have been classified by 15 Limb Deficiency Centres in Germany, the United States and the United Kingdom with a favourable response.

Zusammenfassung

Eine Arbeitsgruppe der International Society for Prosthetics and Orthotics (1972) hat eine neue Nomenklatur der Skelettdefekte der Gliedmaßen ausgearbeitet. Sie stellt einen Fortschritt gegen-über bisher gebrauchten and miteinander konkurrierenden Klassifikationen oar. Ihre Terminologie ist einfach and genau. Sie ist leicht in alle Sprachen übersetzbar. Sie ist rein deskriptiv and greift einer anzustrebenden ätiologischen Klassifikation nicht vor. Sie ist in internationalen Zentren erprobt. Im Interesse einer besseren Verstdndigung auf diesem komplexen Gebiet wird ihr Gebrauch im deutschen Sprachraum empfohlen.

Die Bemühungen um einen internationalen Erfahrungsaustausch und eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gliedmaßenfehlbildungen im Anschluß an die Thalidomidkatastrophe haben die Sprach- und Begriffsverwirrung auf diesem Gebiet aufgezeigt.

Auf zahlreichen Zusammenkünften, insbesondere auf den von der ISPO veranstalteten Arbeitssitzungen, bestand Einigkeit darüber, eine international anerkannte Terminologie der Gliedmaßenfehlbildungen zu schaffen und zu verbreiten. Zu diesem Zweck wurde in Dundee 1972 eine internationale Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in deren Auftrag der nachfolgende Vorschlag verfaßt wurde.

Bei den Diskussionen traten die Differenzen zwischen den im anglo-amerikanischen Sprachraum einerseits und auf dem europäischen Kontinent anderer seits gebräuchlichen Nomenklaturen zutage. Gleichzeitig wurden die Mängel einiger bisher weft verbreiteter Systeme deutlich. In den Gesprächen wurde aber auch die Bereitwilligkeit erkennbar, auf in bestimmten Regionen akzeptierte and durch Gewohnheit lieb gewordene Begriffe zu verzichten, um eine international annehmbare and verständliche Nomenklatur zu schaffen.

Fernziel

Angestrebt wird eine auf der Ätiologie basierende Klassifikation der Gliedmaßenfehlbildungen. Von diesem Ziel sind wir zur Zeit noch weft entfernt. Nur fÜr wenige beim Menschen vorkommende Mißbildungsformen konnte bisher der causale Faktor eindeutig bestimmt werden (z. B. Röteln, Thalidomid).

Nahziel

Unsere Bemühungen müssen daher vorerst auf die Schaffung einer deskriptiven, morphologisch ausgerichteten Nomenklatur beschränkt bleiben. Dabei ist zu bedenken, daß auch beim Erreichen einer ätiologisch fundierten Nomenklatur eine morphologisch ausgerichtete Terminologie unentbehrlich bleiben wird. Der klinisch tätige Arzt sieht zuerst die Erscheinungsform der Mißbildung. Eine morphologisch fundierte Terminologie muß ihm die Benennung und Bestimmung der Gliedmaßenfehlbildung erlauben. Erst dann kann er möglicherweise zu einer ätiologischen Klassifizierung weiterschreiten. Dabei wird er um so weniger auf eine morphologische Nomenklatur verzichten konnen, als bereits jetzt schon klar ist, daß morphologisch gleichgestaltete Extremitätenfehlbildungen durchaus verschiedener Ätiologie sein können. So haben die Arbeiten von H.-G. Willert and H.-L. Henkel (1969) über die „radiale und tibiale Dysmelie” gezeigt, daß für diese Fehlbildungsmuster sowohl exogene Schäden (Thalidomid) als auch erbliche und andere unbekannte Faktoren verantwortlich sein können.

Eine Nomenklatur ist das Ergebnis des Versuches, Dinge in systematischer Weise zu benennen und damit eine Verstdndigung möglich zu machen. Eine Nomenklatur kann selbstverständlich ausgearbeitet werden, ohne daß bereits die Natur der Phänomene, die sie benennt and gliedert, voll verstanden wird. In dieser Situation stellt sich eine Terminologie, die nicht rein deskriptiv bleibt, häufig im Laufe der Zeit als ein Hindernis für die weitere Erforschung der Ursache der beschriebenen Phdnomene heraus. Sie tut dies, indem sie vorschnelle ätiologische Deutungen in der Terminologie verankert, die sich später als unrichtig und unausrottbar erweisen.

Das Schicksal einer neu einzuführenden Nomenklatur wird nicht nur durch ihre bisherigen Systemen überlegene Klarheit und Brauchbarkeit entschieden, sondern auch dadurch, daß sie ausreichend bekannt gemacht und gebraucht wird.

Die Bemühungen der International Society for Prosthetics and Orthotics zur Schaffung einer neuen Nomenklatur der Gliedmaßenfehlbildungen wären verfehlt, würde sich these Nomenklatur nur neben die bereits gebräuchlichen stellen. Dadurch würden die Verwirrung und die Vielfalt nur noch vermehrt.

Die neu geschaffene Nomenklatur soll vielmehr folgenden Anforderungen gerecht werden:

  1. 1.

    Die vorgeschlagene Nomenklatur soil die bisher gebräuchlichen, umfassenden Klassifikationen der Gliedmaßenfehlbildungen ersetzen.

  2. 2.

    Es soil eine einfache, leicht zu memorierende Terminologie geschaffen werden.

  3. 3.

    Das System soil genau and gleichzeitig „offen” genug sein, um schwierige Fälle ohne Zwang einordnen zu können.

  4. 4.

    Die Nomenklatur soil nur wirklich vorkommende Mißbildungssyndrome erfassen und benennen. Es ist nicht erforderlich, daß sie um eines perfektionistischen Systems willen ausgedachte Formen der Extremitätenmißildungen einschließt, die in Wirklichkeit nie beobachtet wurden.

  5. 5.

    Die Terminologie soil rein deskriptiv sein und keine Ausdrücke enthalten, die eine ätiologische Deutung der Mißbildungen vorwegnehmen.

  6. 6.

    Eine neue Nomenklatur soil sich keiner Ausdrücke bedienen, die in verschiedenen Ländern und „Schulen” unterschiedlich gedeutet werden.

  7. 7.

    Eine neue Nomenklatur muß berücksichtigen, daß aus dem griechisch-lateinischen Spracherbe Europas herrührende Bezeichnungen, mögen sie auch noch so treffend sein, den Kollegen anderer Kulturkreise nichts bedeuten. Sie stellen für sie häufig eher eine Barriere für Verständnis und Gebrauch dar.

  8. 8.

    Eine neue Klassifikation sollte auch solchen „Subklassifikationen” einen Rahmen bieten, die fëin bestimmtes Fehlbildungsmuster erarbeitet wurden und sich im klinischen Gebrauch als nützlich erwiesen haben.

  9. 9.

    Eine neue Nomenklatur orientiert sich zweckmäßigerweise an denjenigen anatomischen Strukturen, die in erster Linie von der Fehlbildung betroffen sind. Bei Gliedmaßenfehlbildungen ist dies das Skelett; gleichzeitig vorhandene Haut-, Muskel-, Gefäß- und Nervenfehlbildungen müssen der Priorität des Skeletts untergeordnet werden.

  10. 10.

    Eine neue Nomenklatur soil möglichst umfassend sein, jedoch nicht alle bekannten oder vermutbaren Fehlbildungen in ein einheitliches Schema zwängen wollen. Die begriffliche Ordnung der Nomenklatur hat sich nach den Erscheinungen der Fehlbildungen zu richten und Zusammenhänge innerhalb bestimmter Fehlbildungsgruppen zu berücksichtigen. Es soil vermieden werden, zuerst die Termini aufzustellen und dann die einzelnen Fehlbildungen danach zu orientieren.

  11. 11.

    Eine neue Nomenklatur muß derart gegliedert sein, da\ sB sie computergerecht kodifiziert werden kann. Gleichzeitig soll sie in die in Vorbereitung befindliche internationale Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation passen.

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Willert, H.G., Kay, H.W., Day, H.J.B. et al. Eine internationale terminologie zur klassifikation angeborener gliedmaßenfehlbildungen. Arch. Orth. Traum. Surg. 93, 1–19 (1978). https://doi.org/10.1007/BF00386546

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF00386546

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