Zusammenfassung
Die licht- und elektronenmikroskopischen Befunde an glatten Muskeln verschiedener Herkunft lassen sich wie folgt zusammenfassen:
-
1.
An in situ fixierten Muskeln kommen meist helle und dunkle Muskelzellen nebeneinander vor.
-
2.
In Anlehnung an die Befunde an isolierten Muskelstreifen, die in definierten Funktionszuständen fixiert wurden, kann angenommen werden, daß die hellen und dunklen Zellen während der aktiven Phase des Kontraktionszyklus vorkommen und die Zellen mittlerer Dichte dem Ruhestadium zuzuordnen sind.
-
3.
Die Dichte- bzw. Kontrastunterschiede des Myoplasmas werden als Quellungs- und Entquellungsprozesse der kontraktilen Substanz aufgefaßt. Wahrscheinlich liegt die kontraktile Substanz der glatten Muskelzelle in einer ähnlich labilen Form vor, wie aus Muskeln extrahierte Acto-Myosin-Lösungen. Die etwa 40 Å dicken Myofilamente besitzen in der erschlafften Zelle eine Vorzugsrichtung parallel zur Längsachse der Zelle. Die in solchen Zellen außerdem vorkommenden spindelförmigen Verdichtungen könnten als inaktiver Actomyosinkomplex gedeutet werden. Während des Kontraktionszyklus kommt es wahrscheinlich zunächst zu einer dreidimensionalen Assoziation der Myofilamente, die nun keine Vorzugsrichtung mehr erkennen lassen. Hiermit ist eine Faltung der Zelloberflächen dieser hellen, homogenen Zellen verbunden, wodurch diese innerhalb des Zellverbandes ineinander verzahnt sind. Dann beginnt die Dehydratation der kontraktilen Substanz, die über neu sich bildende Bläschen oder Röhrchen in den Extrazellularraum erfolgt. Die Zelloberflächen werden mit fortschreitender Entquellung „stachelförmig“, die Abstände zwischen den Zellen nehmen zu. Die Erschlaffungsphase ist charakterisiert durch das Wiederauftreten parallel orientierter Filamente und rückläufige Flüssigkeitsverschiebung.
-
4.
Für die makroskopisch sichtbare Verkürzung glatter Muskeln spielt außer den im Molekularbereich sich abspielenden Vorgängen der Einzelzellen auch die Anordnung der Muskelzellen zueinander eine Rolle. Dunkle Stachelzellen sind nicht langgestreckt, sondern geknickt oder verbogen. Ob die schraubenartig verdrehten Kerne dieser Zellen aktiv oder passiv zustande kommen, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Da auch das Karyoplasma in den verschiedenen Zelltypen Dichteunterschiede zeigt, ist an eine Mitbeteiligung des Zellkerns am Kontraktionszyklus zu denken. Für den Gesamtmuskel eines Hohlorgans spielt außerdem der von Goerttler beschriebene Verstellmechanismus der Muskelbündel eine Rolle.
-
5.
Für die effektive Leistung eines Muskels dürfte sowohl der Grad der Entquellung der Einzelzelle wie auch die Summe der Zellen in der gleichen Funktions-phase eine Rolle spielen.
Literatur
Bailey, K.: Structure Proteins. II. Muscle. In: The Proteins, vol. II/B, p. 951–1051. New York: Academic Press 1954.
Barfurth, D.: Über Zellbrücken glatter Muskelfasern. Arch. mikr. Anat. 38, 38–51 (1891).
Benninghoff, A.: Über die Beziehungen zwischen elastischem Gewebe und glatter Muskulatur in der Arterienwand und ihre funktionelle Bedeutung. Z. Zellforsch. 6 (1927).
Bohemann, H.: Interzellularbrücken und Safträume der glatten Muskulatur. Anat. Anz. 10, 305–315 (1895).
Caesar, R.: Elektronenmikroskopische Beobachtungen zum Verhalten der marklosen Nervenfasern im glatten Muskelgewebe. Verh. der Anat. Ges. 1958. Anat. Anz. 158, Erg.-Bd., 90–100 (1958).
Cajal, R.: Los ganglios y plexos nerviosos del intestino de los mamiferos. Madrid 1893.
Carey, E. J.: Studies on the dynamics of histogenesis. Growth motive force as a dynamic stimulus of the genesis of muscular and skeletal tissues. Anat. Rec. 19, 4 (1920).
Caulfield, J. B.: Effects of varying the vehicle for OsO4 in tissues fixation. J. biophys. biochem. Cytol. 3, 827 (1957).
Dubuisson, M.: Muscular contraction. Springfield Ill.: Ch. C. Thomas 1954.
Fischer, E.: Vertebrate smooth muscle. Physiol. Rev. 24, 467–490 (1944).
Froboese, H.: Die Neubildung von Muskelzellen während der Tragzeit in der Gebärmutterwand der Hausmaus. Z. mikr.-anat. Forsch. 37, 17–48 (1935).
Gansler, H.: Über ringkernige Gewebsleukocyten im Genitaltrakt der Ratte und ihren Zusammenhang mit weiblichen Sexualhormonen. Virchows Arch. path. Anat. 325, 90–97 (1954).
—: Elektronenmikroskopische Untersuchungen am Uterusmuskel der Ratte unter Follikelhormonwirkung. Virchows Arch. path. Anat. 329, 235–244 (1956).
—: Phasenkontrast- und Elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Morphologie und Funktion der glatten Muskulatur. Z. Zellforsch. 52, 60–92 (1960).
- Phasenkontrast- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Innervation der glatten Muskulatur. Acta neuroveg. (Wien) 22, H. 3 (1961).
Goerttler, K.: Die Architektur der Muskelwand des menschlichen Uterus und ihre funktionelle Bedeutung. Morph. Jb. 65, 45–128 (1931).
—: Der konstruktive Bau der menschlichen Darmwand. Morph. Jb. 69, 329–379 (1932).
Greven, K.: Die Mechanik der glatten Muskulatur der Wirbeltiere. Klin. Wschr. 29, 683–693 (1951).
Grützner, P.: Die glatten Muskeln. Ergebn. Physiol., II. Abt. 3, 16–88 (1904).
Häggqvist, G.: Das glatte Muskelgewebe. In Handbuch der mikroskopischen Anatomie des Menschen, herausgeg. von W. V. Möllendorff, Bd. II/3. Berlin: Springer 1932, und Erg.-Bd. II/4. Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer 1956.
Heidenhain, M.: Beiträge zur Aufklärung des wahren Wesens der faserförmigen Differenzierungen. Anat. Anz. 16, 97–131 (1899).
—: Die Struktur der kontraktilen Materie. Ergebn. Anat. Entwickl.-Gesch. 10, 115–214 (1900).
- Plasma und Zelle. I. Abt. Allgemeine Anatomie der lebendigen Masse. Jena 1907
Henneberg, B.: Das Bindegewebe in der glatten Muskulatur und die sogenannten Interzellularbrücken. Anat. H., I. Abt. 14, 301–314 (1900).
Hirsch, S.: Über die morphologischen Merkmale der Vasokonstriktion beim Menschen. Zugleich ein Beitrag zum Problem der glatten Muskelfaser. Acta med. scand. 152, 379–390 (1955).
Huxley, H. E.: The double array of filaments in cross-striated muscle. J. biophys. biochem. Cytol. 3, 631–648 (1957).
Jabonero, V.: Die plexiforme Synapse auf Distanz und die Bedeutung der sogenannten interkalären Zellen. Acta neuroveg. (Wien) 19, 276–302 (1959).
Koelliker, A. v.: Beiträge zur Kenntnis der glatten Muskeln. Z. wiss. Zool. 1 (1849).
McGill, C.: Structure of smooth muscle in the resting and in the contracted condition. Amer. J. Anat. 9, 493–545 (1909).
Meigs, E. B.: Microscopic studies of living smooth muscle. Amer. J. Physiol. 29, 317–329 (1912).
Needham, D. M., and C. M. Cawkwell: Some properties of the actomyosin like protein of the uterus. Biochem. J. 63, 337–344 (1956).
Roskin, G.: Über die Struktur der glatten Muskelzelle. Z. Zellforsch. 24, 585–613 (1936).
Shoenberg, C. F.: An electron microscopy study of smooth muscle in the pregnant uterus of the rabbit. J. biophys. biochem. Cytol. 4, 609–614 (1958).
Snellmann, O., and M. Tenow: A contractile element containing tropomyosin (Acto-tropomyosin). Biochim. biophys. Acta 13, 199–208 (1954).
Spanner, R.: Die Drosselklappe der veno-venösen Anastomose und ihre Bedeutung für den Abkürzungskreislauf im porto-cavalen System des Vogels; zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der epitheloiden Zellen. Z. Anat. Entwickl.-Gesch. 109, 443–492 (1939).
Staubesand, J.: Über den Wandbau der arterio-venösen Anastomosen und die Bedeutung der epitheloiden Zellen. Ärztl. Forsch. 3, 78–86 (1949).
Stieve, H.: Muskulatur und Bindegewebe in der Wand der menschlichen Gebärmutter außerhalb und während der Schwangerschaft, während der Geburt und des Wochenbettes. Z. mikr.-anat. Forsch. 17, 371–518 (1929).
Szent-György: Chemistry of muscular contraction. New York: Academic Press 1951.
—: Bioenergetics. Science 124, 873–875 (1956).
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Durchgeführt mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Marlis Becker und Eva-Maria Finze danke ich für wertvolle technische Hilfe.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Gansler, H. Struktur und Funktion der glatten Muskulatur. Z.Zellforsch 55, 724–762 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00384510
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF00384510