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Hauttemperaturmessungen beim Bückversuch

Ein modifizierter Bückversuch zur Prüfung auf „cerebrale Gefäßschwäche“

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Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

  1. 1.

    Die Änderung der Hauttemperatur auf der Stirn als Zeichen für die Blutströmungsänderung im ganzen Kopfbereich wurde beim Bückversuch den Kretschmer zur Diagnose der cerebralen Gefäßschwäche angibt, untersucht.

  2. 2.

    Beim Bückversuch in der von Kretschmer angegebenen Form ergab sich keine Änderung der Hauttemperatur auf der Stirn. Das Bücken wurde darum verlängert, bis schließlich auf 1 min und nach einer weiteren Minute Aufrechtstehens in der 3. min nochmals wiederholt. Während des Wiederaufrechtstehens in der folgenden 4. min wurde die Hauttemperaturmessung noch weiter fortgesetzt. So ergab sich eine Hauttemperaturkurve über 4 min.

    Die Messung erfolgte mit einem Kontaktthermometer nach dem „thermoelektrischen Prinzip“.

    Durch Ausschaltung aller anderen Faktoren, die Einfluß auf die Hauttemperatur haben können, wurde der Versuch zu einer „Arteriolen-Funktionsprüfung“ gemacht. Denn die Arteriolen regeln die Blutströmung, von der die Hauttemperatur abhängt.

  3. 3.

    Nach Entwicklung dieser Methode an 35 Personen (teils Gesunde, teils Patienten mit cerebraler Gefäßschwäche) wurden systematisch gemessen: 19 Gesunde, 36 Cerebralarteriosklerotiker, 52 Hirntraumatiker, 21 „Vasolabile“.

    Die klinische Diagnose bei den Patienten wurde auf mehrfache Weise gesichert, um eine statistisch eindeutige Grundlage zu haben. Bei der Gruppe der Cerebralarteriosklerotiker und der Hirntraumatiker findet sich nach Kretschmer die cerebrale Gefäßschwäche. Die Gruppe der „Vasolabilen“ wird gegenwärtig noch differenziert nach „Massivathletikern und explosiv-Epileptoiden“ einerseits und sonstigen konstitutionellen Varianten der Gefäßfeinsteuerung andererseits.

  4. 4.

    Bei Gesunden ergab sich eine typische, in den Einzelfällen grundsätzlich gleichartige Kurve: gleichmäßiger Anstieg der Hauttemperatur mit leicht nach oben konvexer Krümmung.

  5. 5.

    Dagegen zeigte sich bei den Krankenguppen während des Bückens ein steilerer Anstieg der Hauttemperatur als während des Aufrechtstehens.

    Aus dem Vergleich des Anstiegs in den Zeiten des Bückens und des Aufrechtstehens ergaben sich 3 pathologische Kriterien für „krankhaft“. Es lassen sich 5 Stärkegrade der krankhaften Kurven (und damit der cerebralen Gefäßschwäche) unterscheiden. Durch ein mathematisches Schema kann man die Kurven in diese Abstufung einordnen und die 3 pathologischen Kriterien in ihrer Gesamtstärke erfassen.

  6. 6.

    Die Häufigkeit, mit der die Kurven bei Kranken positiv werden, beträgt durchschnittlich 81%. Daraus folgt, daß bei negativer Hauttemperaturkurve eine cerebrale Gefäßschwäche nicht ausgeschlossen ist.

  7. 7.

    Mit der Berechnung von Durchschnittskurven und ihrer Standardabweichung wird statistisch-graphisch bewiesen, daß das Verhalten der einzelnen Kurvenabschnitte (innerhalb der einzelnen Minuten) untereinander bei den Gesunden einheitlich, bei den Kranken aber ungleichmäßig ist.

  8. 8.

    Die Gesundenkurve (in der unter 4. beschriebenen Form) wird im wesentlichen gezeichnet durch die lokalen Einflüsse, die der Fühler des Hauttemperaturmeßgerätes ausübt. Der vermehrte Blutandrang beim Bücken tritt nicht in Erscheinung, da er kompensiertwird durch Erhöhung des zentralen Vasomotorentonus.

  9. 9.

    Dagegen zeigt sich in den Krankenurven außer den lokalen Fühlereinflüssen ein Nachlassen der gefäßverengenden Reaktionsbereitschaft. Denn die Arteriolen erweitern sich auf den erhöhten Innendruck hin, wie der stärkere Anstieg der Hauttemperaturkurve beim Bücken zeigt.

    Somit konnte bewiesen werden, daß das Wesen der cerebralen GefäßSchwäche in einer abnormen Neigung der Kopfgefäße zur Dilatation und Erschlaffung und in einem Mangel an prompter Reaktion bei Belastung besteht.

  10. 10.

    Es bieten sich 2 Erklärungsmöglichkeiten für die nachgewiesene Gefäßstörung an: Verminderung der sympathischen Reaktionsbereitschaft bei Belastung der Gefäße in den übergeordneten Vasomotorenzentren, und die direkte Leistungsinsuffizienz der Gefäße selbst.

  11. 11.

    Da die bei cerebraler Gefäßschwäche geklagten subjektiven Beschwerden teilweise durch die abnormen Gefäßerweiterungen erklärt werden können, scheint der Versuch als objektiver Nachweis subjektiver vasomotorischer Kopfbeschwerden geeignet zu sein.

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Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Ernst Kretschmer zum 70. Geburtstag am 8. 10. 1958 gewidmet.

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Ploeger, A. Hauttemperaturmessungen beim Bückversuch. Archiv Fü Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges Neurologie 198, 365–379 (1959). https://doi.org/10.1007/BF00357886

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