Zusammenfassung
Die umfangreiche Literatur über das Bettnässen vermag zur Pathogenese dieses Leidens nur recht unbefriedigende Antworten zu geben. Sowohl die somatischen als auch die psychischen Faktoren, die ursächlich herangezogen werden, fanden wir bei einer fünfjährigen Beobachtung der Schüler einer durchschnittlich 800 Kinder umfassenden Volksschule ebenso häufig bei nicht bettnässenden Kindern wie bei unseren kleinen Patienten.
Klinische Beobachtungen legten den Gedanken nahe, daß eine partielle Retardierung im Sinne Kretschmers als wesentlicher Faktor der Pathogenese bei einem Teil unseres Krankengutes angesehen werden muß. Ausgehend vom klinischen Bild konnten an kleinem Material 3 Bettnässertypen durch objektive Symptome herausgestellt werden.
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1.
Kinder mit vesico-genitaler Reifehemmung,
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2.
Kinder mit striärer Raifehemmung,
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3.
Kinder mit corticaler Reifehemmung.
Zwischen zeitgerechter Reifung des Corpus striatum und der Harnblase scheint ein Zusammenhang zu bestehen.
Die partielle Retardierung wird nicht als causa, sondern als disponierender Faktor betrachtet, der im Zusammenhang mit einer Konstellation psychopathologischer Faktoren zum Einnässen führt.
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Homann, H.W. Partielle Retardierung als eine biologische Grundlage des Bettnässens. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 192, 166–173 (1954). https://doi.org/10.1007/BF00353845
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