Zusammenfassung
Nach täglicher Verabreichung von Thiuramen an weißen Ratten fanden sich im höheren Alter, wahrscheinlich als Folge einer chronischen Intoxikation, massive Pseudokalkablagerungen mit fast ausschließlicher Lokalisation in symmetrischen, vorwiegend lateralen Gebieten des Thalamus. Außer dieser topischen Abweichung von der beim Menschen üblichen bevorzugten Lokalisation im Pallidum, wurde ferner eine gefäßgebundene Lage, wie sie gelegentlich beim Menschen zu finden ist, weitgehend vermißt. In ihrer Struktur und Färbbarkeit glichen die Herde denen des Menschen.
Bei der Erörterung pathogenetischer Fragen wurde neben einer chronischen Intoxikation auch die Möglichkeit eines Spätschadens nach subakuter Einwirkung diskutiert. Subakut-toxische Erscheinungen bestanden im Auftreten von zwei großen Krampfwellen nach ein- und zweimonatiger Dauer des Versuchs. Später blieben die Krämpfe aus. Ob diesem Ausbleiben ein Desensibilisierungsvorgang im Rahmen eines allergischen Geschehens zugrunde lag, ist nicht sicher zu sagen, da sich kein entsprechender morphologischer Anhalt bot, obwohl es sich um Substanzen mit erheblichen sensibilisierenden Eigenschaften handelt. Eine dabei zu erwartende Gefäßbeteiligung war ganz unerheblich, so daß eher an einen direkten toxischen Effekt zu denken ist, vielleicht mit einer örtlich betonten Fermentstörung.
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Griepentrog, F. Cerebrale Pseudokalkablagerungen bei chronischer Intoxikation mit Thiuramen im Tierversuch. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 202, 412–422 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00353569
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